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Fakten zur Aufführung 

ARIADNE AUF NAXOS
(Richard Strauss)
3. Dezember 2011
(Premiere)

Staatsoper Hannover


Points of Honor                      

Musik

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Lasst uns Theater machen

Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wollten ein Werk schaffen, das die bisher erprobten Stile miteinander verknüpft. Die große dramatische Oper mit Bezügen zu antiken oder biblischen Stoffen und die Komödie. Ariadne auf Naxos ist Oper in der Oper, ein Stück im Stück. Im Vorspiel laufen die Vorbereitungen zur Aufführung der Ariadne im Haus eines reichen Herrn auf Hochtouren. Eine Truppe von Komödianten bringt den Komponisten und alle anderen auch in ziemliche Verwirrung, weil sie mitmachen wollen. Das passt aber so gar nicht zur tragischen Geschichte der auf ihren Erlöser wartenden,  und sich Todesgedanken hingebenden Ariadne. Auf Wunsch des zahlenden Hausherrn sollen nun aber beide Dinge miteinander verbunden werden. Menschen, die sich nicht unbedingt mögen, müssen miteinander Theater machen.

Strauss‘ und Hofmannsthals Werk hat etwas Experimentelles, etwas Gebrochenes, vielleicht sogar etwas Unfertiges. Und genauso inszeniert es in Hannover Regisseur Ingo Kerkhof. Die herrlich schnöselige Sigrun Schneggenburger als Haushofmeister erscheint zunächst im Bärenkostüm auf der Bühne und verkündet dem Publikum, sie sei nicht der Bär aus der Götterdämmerung – Kenner des Hannoverschen Rings verstehen die Anspielung sofort – sondern gebeten worden, die Rolle des Haushofmeisters zu übernehmen. Sie macht auch noch ein paar weitere, theaterübliche Ankündigungen zu Indispositionen von Sängern und ähnliches. Das übrige Personal hat bereits vor ihrem Auftritt auf der Bühne Platz genommen. Kerkhof inszeniert dieses Stück im Stück also als Spiel mit dem Theatermachen. Auf der Bühne steht als zentrales Element ein langer Tisch, an dem schwarz gekleidete Menschen sitzen. Wenn die Musik zum Vorspiel einsetzt, bewegen sich alle mit amüsanter Unbeholfenheit zu einer Choreographie, die irgendwo zwischen barockem Tanzstil und griechischen Volkstanz steht, Sirtaki lässt jedenfalls grüßen. Immerhin geht es gleich nach Naxos. Mit dieser Tanzeinlage – und einem prächtigen Feuerwerk – endet der Abend auch. Dazwischen versuchen die schwarz gekleideten Menschen, durch wenige Farbtupfer weiterer Kostüme, und Perücken und durch spärliche Requisiten wie Weinflaschen und große weiße Plastikblumen unterstützt, zuerst das Vorspiel im Hause des reichen Herren und dann die Oper zu spielen. Der karge schwarze Bühnenraum von Anne Neuser und die Kostüme von Inge Medert unterstreichen so sehr gut die von Kerkhof geschaffene Atmosphäre einer Art Zwischenstadium aus Probe und Aufführung. Alle wollen Theater machen, kennen ihre Rollen, versuchen sich dabei immer wieder zu stören, beobachten sich auch gern gegenseitig. Aber insgesamt sind doch alle recht ungeschickt und scheinbar wenig theatererfahren am Werk. Kerkhof stellt somit die Unprofessionalität des hier beteiligten Personals heraus. Dass das sehr komisch, manchmal ein wenig albern, nie aber platt oder aufgesetzt wirkt, ist das Ergebnis eines präzise gearbeiteten und mit aller Konsequenz umgesetzten Regiekonzepts und einer entsprechend differenzierten Personenführung. Das hat Witz, Temperament, ist hochmusikalisch und nimmt das Theater auch gern mal aufs Korn.

Über die Musik der Ariadne ist in einschlägigen Nachschlagewerken zu lesen, sie sei das schönste, was Strauss je geschrieben habe. Mit solchen Superlativen ist sicher immer Vorsicht geboten. Diese Premiere stellt eines gleichwohl ganz deutlich in den Mittelpunkt. Hannovers neue Generalmusikdirektorin Karen Kamensek hält von dieser Musik eine ganze Menge und spielt das mit allen Mitteln aus. Strauss hat mit der Ariadne-Partitur bewusst nach einem Gegenstück zu den vorangegangenen Opern gesucht und das Orchester mit weniger als 40 Musikern für seine Verhältnisse geradezu kammermusikalisch besetzt. Dennoch lässt er diese kleine Besetzung manchmal große, dramatische Oper machen, nimmt sie aber genauso oft auf kammermusikalische Intimität zurück, einige Momente sind nur vom Klavier begleitet. Er spielt mit Formen und Stilen genauso, wie es das Libretto auch macht. Alle diese Facetten bringt Karen Kamensek mit dem glänzend klangschön und differenziert musizierenden Staatsorchester zu voller Geltung und lässt so keinen Zweifel daran, dass Strauss mit der Ariadne in der Tat ein beachtliches Werk gelungen ist.

Auf der Bühne steht Karen Kamensek dabei ein Ensemble zur Seite, dass den spezifischen Anforderungen der Strauss’schen Musik ebenso kompetent gewachsen ist. In dieser Inszenierung darf auch die sonst oft zur großen Tragödin verdammte Titelfigur komische Seiten zeigen, und gerade das gefällt Brigitte Hahn offenbar besonders gut, und sie unterstützt ihr Spiel durch farbenreichen, lyrisch-beseelten wie emotional aufblühenden Gesang. Ihrem warm timbrierten Sopran liegt die Partie sehr gut, auch die vertrackten Tiefen, die viel Bruststimme erfordern, bereiten ihr keinerlei Probleme. Die zweite große Sopranpartie verkörpert Ina Yoshikawa nicht nur ausgesprochen keck und temperamentvoll, sie brilliert mit den vertrackten Koloraturen der Zerbinetta auf hoch eindrucksvolle Weise, ihre stimmakrobatische Höchstleistungen einfordernde große Arie gibt sie mit einer Leichtigkeit, die bewundernswert ist.

Robert Künzli ist ein heldentenoral auftrumpfender Bacchus, seine vor allem in den hohen Lagen fordernde Partie singt er mit gut fokussiertem, strahlendem Ton. Dazu spielt er eine herrliche Karikatur eines kraftstrotzenden Frauenschwarms, der dabei mehr tollpatschig als alles andere ist. Julia Faylenbogen verkörpert den engagiert für seine Sache kämpfenden, letztlich enttäuschten Komponisten mit kernigem Mezzo, Stefan Adam gibt den um seinen Schüler besorgten und die szenischen Vorgänge halbwegs zu zügeln versuchenden Musiklehrer mit noblem, kraftvollem Bariton.

Das übrige Ensemble überzeugt stimmlich wie darstellerisch nicht minder: Dorothea Maria Marx, Julie-Marie Sundal und Sara Eterno als Nymphen, Christopher Tonkin, Ivan Turšić, Tivadar Kiss und Young Kwon als Komödianten sowie Edgar Schäfer, Roland Wagenführer und Frank Schneiders in den kleinen Partien des Vorspiels.   

Ein rundum gelungener Premierenabend, der beim Publikum großen Zuspruch findet. Einzelne Buh-Rufe gegen das Regieteam können sich da nicht durchsetzen. Diese Ariadne macht Freude, ist wunderschön anzuhören, bietet ganz einfach Unterhaltung, und das auf höchstem Niveau.

Christian Schütte

 

 









 
Fotos: Thomas M. Jauk