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Fakten zur Aufführung 

PARSIFAL
(Richard Wagner)
3. Juli 2011

Alfred-Fischer-Halle Hamm
KlassikSommer Hamm


Points of Honor                      

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Wagner-Rausch

Ein konzertanter Parsifal in dem Industriedenkmal auf der ehemaligen Zeche Sachsen in Hamm-Heessen: Er wird zum nachgerade rauschhaften Musik-Erlebnis!

Frank Beermann leitet hoch konzentriert, permanent präsent, mit konsequenter Gestik und sensibel fordernden Einsätzen die bis in die Haarspitzen motivierten Musiker der Nordwestdeutschen Philharmonie zu einem Wagner-Klang der Extra-Klasse: Da fasziniert eine dramatisierende Dynamik mit geheimnisvollen Pianissimi bis hin zu eruptiven Fortissimo-Passagen; da stimmen die gefühlvollen Übergänge der „unendlichen Melodie“ von der ostinatohaft grummelnden Pauke zu den einsetzenden Holz-Bläsern; da triumphiert das Blech in der Kommunikation mit den meditativ reflektierenden Streichern; da wird Wagners genial-vielschichtige Musik in ihren Strukturen transparent; da entstehen Klänge, die Musik zu Philosophie werden lassen!

Die bewundernswerten Sänger werden auf diesem unwiderstehlichen musikalischen Hintergrund wie von himmlischen Flügeln getragen: Der grandiose James Moellenhoff singt einen permanent reflektierenden Gurnemanz mit überwältigender Intensität – souverän im stimmlichen Gestus, ausdrucksstark in Belehrung, Ironie, kämpferischem Engagement, ehrfurchtsvoller Hingebung, unzerstörbarer Hoffnung! John Charles Pierce gibt mit seinem variabel-interpretationsfähigen Tenor einen Parsifal, der sich vom „tumben Tor“ über den verführten Jüngling zum entschlossenen „Erlöser“ entwickelt – seine einfühlsame Intonation beherrscht sowohl die „naive“ Andeutung als auch die heldentenorale Attitüde mit lyrischem Ausdruck. Ruth-Maria Nicolay verkörpert stimmlich eine Kundry als reuige Sünderin, erotische Verführerin und stöhnende Büßerin: bewegend in den emotionalisierenden Registerwechseln, animierend in den ausdrucksstarken Höhen, eindrucksvoll in ihren differenzierenden Tiefen. Renatus Mészár überzeugt als dominanter Klingsor: enorm stimmstark, variabel im Ausdruck, überzeugend in der glaubwürdigen Interpretation. Oliver Zwarg – als indisponiert angekündigt – vermittelt mit sensiblem Timbre einen geopfert-leidenden Amfortas: sonor in der Mittellage, kontrolliert im emotionalen Ausdruck, bewegend im existenziellen Schmerz. Roman Astakhov beeindruckt als todgeweihter Titurel mit voluminös-variabler Stimme. Auf hohem Niveau singend: die Knappen, Blumenmädchen und Gralsritter – einstudiert von Jürgen Glauss von der Musikhochschule Köln!

Und dann der Chor der Oper Leipzig! Ein Klangkörper, in dem perfekte Einzelstimmen sowohl in den einzelnen Stimmlagen als auch im Gesamtklang zum sängerischen Rausch zusammenfinden (Leitung Volkmar Olbrich) – sensationell!

Der KlassikSommer in Hamm ist ein Monolith im Kulturleben der östlichen Ruhrgebietsstadt, die Alfred-Fischer-Halle mit der staunenswerten Akustik weist entsprechend (zu) viele leere Plätze auf; das mehrheitlich opern-unerfahrene Publikum benötigt – nach einigen Irritationen – Zeit, um sich in den Sog von Musik und Gesang ziehen zu lassen, dann aber umso heftiger: atemlose Bewunderung im dritten Akt, spontane Standing Ovations am Schluss, nicht endend wollender Applaus für einen Abend absoluter Spitzen-Klasse!

Die Hammer bestätigen den mittlerweile legendären Ruf des unvoreingenommen-offenen Publikums im Ruhrgebiet. Bleibt zu hoffen, dass auch in Hamm – der Ruhrgebietsstadt ohne kulturelle Tradition – endlich der Funke des „Kulturwandels“ gezündet hat!

Franz R. Stuke