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Fakten zur Aufführung 

DIE ARABISCHE NACHT
(Christian Jost)
23. März 2013
(Premiere am 21. März 2013)

Junges Forum, Hamburger Hochschule für Musik und Theater

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Eine kalte arabische Nacht

Auf die leicht bekleideten Damen eines orientalischen Damenstifts, auf sphärisch-schwüle Musik oder gar Moschusdüfte und kaum verschleierte Tänze warten die Zuschauer vergeblich. Diese arabische Nacht beginnt in einem Glassarg, darin, rot gekleidet, eine Frauengestalt, später kommt noch ein Apfel hinzu - Schneewittchen vielleicht, vielleicht auch nicht. Am Bühnenhintergrund müht sich eine männliche Figur mit einer kaum zu umfassenden Kugel ab, in gebückter Haltung schleppt Lomeier sie fast den ganzen Abend durch die Aufführung. Am rechten und linken Bühnenrand führen steingraue Treppen in ausweglose Stahlgerüste, eine dunkel schillernde Frau balanciert und torkelt auf einem kleinen Podium, auf dem kaum ihre Füße Platz haben. Überhaupt bewegen sich fast alle Figuren unsicher tapsend und torkelnd durch ihre Welt, klare Linien sind weder in ihren Bewegungen noch in ihren Handlungen zu erkennen. Unterstützt durch meist kühl farbige Beleuchtungen, verbreitet die Szene eine abweisend unsichere Atmosphäre – und trifft damit die Botschaft der Inszenierung.

Stephan Krautwald, der sich mit dieser Inszenierung in die Prüfung für seinen Bachelor of Arts „Musiktheater-Regie“ an der Hochschule für Musik und Theater begibt, hat sich dem schwierigen Stück Die arabische Nacht von Christian Jost, das 2008 seine Uraufführung erlebte, mit erstaunlicher Übersicht und Konsequenz genähert. Jost, Jahrgang 1963, der schon für das Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und die Berliner Symphoniker gearbeitet hat, gilt als etablierter Komponist der Moderne, der in origineller Weise klassische Musikformen mit Jazzinstrumenten und neuen Musikelementen kombiniert. Für seine Oper Die arabische Nacht hat er auf das gleichnamige Theaterstück von Roland Schimmelpfennig zurückgegriffen, in dem das eintönig-trostlose Leben der Bewohner einer Hochhaussiedlung durch einen lapidaren Wasser- oder Fahrstuhlschaden völlig aus den Fugen gerät. Danach begeben sich die Bewohner in wilde Träume und Phantasien, um schließlich Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden zu können. Die Konsequenzen dieser Traumflucht zeigt Jost, indem er den Protagonisten des Stückes mit Franziska eine Figur gegenüberstellt, die durch Verlust ihres Erinnerungsvermögens nur im jeweiligen Augenblick lebt und sich phantasierend in ihre ersehnte Traumwelt versetzt, zu der auch ihre Entführung in den Harem eines Scheichs gehört. Obwohl in der Enge eines Hochhauses lebend, begegnen sich die Bewohner nie und bleiben sich fremd. Als im Schlussbild Lomeier und Franziska verloren und allein im kalten Toplichtspot an den Ecken der Bühne stehen und sich der Vorhang vor der Szene senkt, lässt das Stück Protagonisten und Zuschauer ohne Perspektiven zurück. Krautwald macht diese Perspektivlosigkeit, die dem Stück keinen Handlungsfaden liefert, an den einzelnen Personen fest und lässt sie ihre Unfähigkeit zu Kontakten, zu menschlichen Begegnungen meist isoliert von einander spielen, selbst einige angedeutete erotische Annäherungen scheitern daran. So balanciert die Inszenierung selbst zwischen Realphasen und schwer abzugrenzenden Visionen.

Stellt man in Rechnung, dass die Premiere dieser modernen Oper an einer Hochschule für Theater stattfindet und fast alle Mitwirkenden sich noch in der Ausbildungs- und Erfahrungsphase befinden, muss man erstaunt sein über die präsentierte Qualität.

Das gilt vor allem für die Regie von Stephan Krautwald, der nach einigen anderen Inszenierungen mit dieser Arbeit sein Studium abschließt. In den männlichen Rollen überzeugen Max Börner, August Schram und Andreas Preuß stimmlich und darstellerisch ohne Einschränkung. Svenja Liebrecht, Sopran, bringt die changierende Franziska und Britta Glaser, Mezzosopran, die eher unbeholfene Fatima als unsichere Existenzen auf die Bühne und nutzen dazu ihre stimmlichen Qualitäten bestens. Beide überraschen mit stimmlicher Reife und Souveränität. David Niemann mit seinem kleinen Orchester und zum Teil ungewöhnlich kombinierten Instrumenten, unter anderem Holzbläser, dazu Vibraphon, Marimbaphon und eine Celesta, bietet einen dezenten Hintergrund freier sphärischer Musik, die nur in einigen Passagen einen Rhythmus aufnimmt. Mit kühlen, schwebenden Klängen unterstützt Niemann die Stimmungen auf der Bühne und lässt den Solisten allen Raum zur stimmlichen Entfaltung.

In den herzlichen Beifall mischen sich Anerkennung für diese Inszenierung und gute Wünsche für die Künstler, von denen die meisten sich professionell und mit Perspektiven präsentiert haben. Im Weinbau würde man sagen: Ein viel versprechender Jahrgang. Ob sich Josts Stück auf die Dauer auf den Bühnen halten wird, ist eine andere Frage. Zu dunkel, zu trist, zu perspektivlos ist das Stück für den Zuschauer, zu banal die Sprache, der Spannungsbogen bleibt flach.

Horst Dichanz

 





Fotos: Christian Enger