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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
28. April 2012
(Premiere)

Bühnen Halle

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Vom Niemand zum Jemand

Kooperationen zwischen Theatern haben Konjunktur, oft wegen finanzieller Zwänge, gelegentlich auch aus gegenseitigem künstlerischen Interesse. Beides scheint zwischen Ludwigshafen und Halle/Saale bewährtes Motiv zu sein. Das gilt auch für die jüngste Koproduktion zwischen  Theater, Oper und Orchester Halle, dem Theater Ludwigshafen und der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, die sich seit 2010 zum Ring zusammen gefunden haben. Jedenfalls bringt die Kooperation der beiden Häuser und der erfahrenen Gestalter Heyme und Steffens Aufführungen auf die Bühne, die beiden Häusern einzeln wohl schwer fielen. Am 28. April 2012 hat Wagners Siegfried in Halle Premiere, der dritte Teil des Ring soll Anfang 2013 auf die Bühne kommen.

Zwischen dem vorderen „Vorhang der Hoffnung“ mit einem Zitat von Ernst Bloch und einer als Background eingeblendeten „Wand des Todes“ mit rätselhaften Zahlenkolonnen, die man als Nummern von Mauergräbern lesen kann, hängen bühnenhohe, breite Vorhangstreifen, die mal bei schummriger Beleuchtung einen stilisierten Wald darstellen, mal im hellen Spotlicht Erinnerungen an Säulentempel oder Reichsparteitage assoziieren. Auch die rückwärtig projizierten riesigen Goldbarren beeindrucken allein durch ihr optisches Gewicht und symbolisieren das gesuchte Rheingold zeitnah. Matthias Honig setzt Lichtakzente, die den dämmrigen Ton des Waldes unterstreichen oder die hell aufleuchtende Liebe zwischen den Hauptprotagonisten Siegfried und Brünnhilde ausleuchten. Die Kostüme legt Regisseur Heyme zeitlos modern an und bedient sich dabei einiger Entwürfe aus einem Ausstattungswettbewerb, an dem sich bundesweit 140 Teilnehmer beteiligten. Kathrin Ehrenbogen entwirft das zeitlos moderne Outfit des Siegfried.

In seiner Schmiede werkelt mit viel Feuer Mime, schlägt mal mit schwerem Hammer zu oder folgt mit einem kleinen Dekohämmerchen auf dem Amboss dem Rhythmus des Orchesters. Siegfried kommt von der Jagd hereingestürmt und findet sein Schwert immer noch nicht fertig. Mimes neuester Versuch zerbricht gar beim ersten Test.

Mit Andreas Schager als Siegfried haben Regie und musikalische Leitung einen Sänger und Darsteller gefunden, der in stimmlich überzeugender Weise mit einem jugendlichen Tenor die Figur des Siegfried darstellerisch angenehm unbekümmert und frisch anlegen kann, ohne auf die häufig so steif geratenden heldischen Attitüden angewiesen zu sein. Wenn es Wagner, wie Thomas Mann vermutet, um die Darstellung eines „unbedenklichen Helden“ geht, ist Heyme und Schager die Umsetzung dieser Figur gelungen. Dies gilt bis zur Schlussszene, in der Siegfried und Brünnhilde ihr  „atemloses Entzücken“ für einander auf die Bühne bringen .

Ralph Ertel als stets tränenreicher Mime ergänzt die Szene mit weichem Tenor, Alberich, von dem Bariton Gerd Vogel gesungen, bleibt eine undurchsichtige Figur. Gerard Kim in der Rolle des Wanderers ist mit einem vollen Bass sehr präsent. Er füllt seine Rolle stimmlich und darstellerisch mit überzeugendem Einsatz aus. Christoph Stegemann, in weitem schwarzen Umhang, gibt dem Fafner etwas Unterwelt-Drohendes. Ines Lex, in luftiger Höhe „aufgehängt“, versinnbildlicht die schwebenden Töne des Waldvogel gleich doppelt – Deborah Humble, Mezzosopran, vermag als allwissende Erda den Wanderer von seinem Unrecht nicht zu überzeugen, die Zuhörer mit ihrer Stimme sehr wohl. Die ausgezeichnete Sopranistin Lisa Livingston als erweckte Brünnhilde steigert sich im Duett mit Siegfried zu einer bewegenden dramatisch-musikalischen Schlussphase. Die Zuschauer sind begeistert und bei fallendem Vorhang zu lauten Bravorufen und lange anhaltendem begeisterten Beifall motiviert. Karl-Heinz Steffens hat mit der Staatskapelle Halle ein souverän spielendes Orchester zur Verfügung, das ihm alle Möglichkeiten gibt, die unterschiedlichen Färbungen der Wagnerschen Musik volltönend  oder schwebend zu präsentieren.

Heyme und Steffens haben mit dieser Siegfried-Inszenierung eine Sicht der Figur des Siegfried geschaffen, die ohne den ideologischen Ballast germanischer Mythologien und  versteckter Rassismen auskommt. Sowohl Siegfried als ein „demokratischer“ Held wie die zwielichtigen Gestalten des Mime und des Alberich ringen um das Prinzip des „Heldentums für alle“ , ohne die Frage nach einem zeitgemäßen Helden zu beantworten. Auch wenn es Wagner wohl nicht gelungen ist, mit Siegfried sein „populärstes Werk“ zu schaffen, spricht eine aus Leipzig mit dem Verein der Wagnerfreunde angereiste  Kennerin  für viele, wenn sie zu dieser Premiere zurückhaltend anerkennend feststellt: Doch, wirklich gelungen!

Horst Dichanz







Fotos: Gert Kiermeyer