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Fakten zur Aufführung 

13 - DAS MUSICAL
(Jason Robert Brown)
20. April 2013
(Deutsche Erstaufführung)

Theater, Oper und Orchester Halle


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Appleton in Sachsen-Anhalt

Die Liste der beteiligten Jugendlichen nennt 34 Namen, die in zwei Ensembles die „13“, ein furioses Jugend-Musical mit Begeisterung, viel Schwung und Können auf die Bühne bringen. Hansjörg Zäther hat offensichtlich das richtige Stück für diese Jugendlichen gefunden und es mit kundiger Hand, viel Witz und Tempo und zur Freude der Jugendlichen inszeniert. Die Akteure haben an diesem lebensnahen, ziemlich unverkrampften und authentischen Stück ebenso ihre Freude wie die Besucher, unter denen sich Familien, Freundesgruppen, ganze Schulklassen und natürlich auch Eltern und Großeltern finden. Auch bei der Wiederaufnahme des Stückes ist das Haus gut besetzt.

Vor dunklem Vorhang tauchen schwarze Figuren auf. Sie tragen schwarze Umhänge und große schwarze Hüte, wie man sie von Besuchern jüdischer Synagogen kennt. Ein schwermütiger Gesang in einer fremden Sprache erklingt – der Handlungsrahmen ist angedeutet.

Der aus New York kommende Evan Goldmann muss nach Trennung seiner Eltern mit seiner Mutter nach Appleton ziehen. Appleton, ein kleines amerikanisches Kaff im Nirgendwo, zum Beispiel in Indiana, Midwest. Es ist eines von 14 Appletons, die sich wahrscheinlich alle ähnlich sind – vor allem darin, dass es „die letzten Kaffs“ sind, wo man nicht tot über einem Zaun hängen möchte. Nur: Evan soll hier jetzt leben, zur Highschool gehen und auch noch seine Bar-Mitzwa, seine Beschneidung, erleben, durch die ein jüdischer Junge endlich „zum Mann“ wird. Zu diesem größten Fest im Leben eines Jungen gehört die größte Party überhaupt, mit allen Freunden, je mehr desto besser, desto beliebter und anerkannter ist der junge Mann dann.

Aber so einfach ist das nicht, hier auf dem Lande Freunde für eine Bar-Mitzwa zu finden und mit ihnen zu feiern. Auch in Appleton gibt es die Revier- und Hahnenkämpfe der heranwachsenden Jungen, die leicht überzogen ausgespielten Zickenkriege zwischen den erst versuchsmäßig damenhaften Mädchen und die so herrlich ungeschickt-unbekümmert gespielten ersten Kontaktversuche zwischen beiden. Wenn dann noch beschwingt-lockere Songs die Stimmung untermalen und das Stück vorantreiben, ist das Vergnügen vollkommen. Ob dann zufällig Evan ein Date mit Kendra, gespielt von Luisa Heeger, oder doch lieber mit der Außenseiterin Rebekka Scheuflers Patrice hat, ob es dem Starsportler gelingt, auch an Kendra heranzukommen, ob sich dann schließlich doch der Außenseiter Evan und die ebenfalls sehr eigenwillige Patrice finden, ist eigentlich nicht mehr so wichtig. Diese Inner-Gang-Kapriolen sind unterhaltsam, pfiffig und flott gespielt, es macht einfach Spaß zuzusehen. Im Ensemble B, das hier auf der Bühne steht, spielt und singt Martin Breitkopf einen Evan, der quasi die Verkörperung eines Heranwachsenden auf dem Weg zum Mann darstellt, mit schöner, ausdrucksstarker Songstimme, die gelegentlich ein leichtes Kratzen der Stimmbänder erkennen lässt. Brett, Star-Quarterback, erhält in der körperbetonten Darstellung von Valentin Fröhlich den Ausdruck des Leittieres, zeigt aber auch manche Naivität und Unbeholfenheit. Herrlich treffend und komisch der Besuch eines Gruselfilms im Kino, von dessen Dunkelheit sich Brett manches verspricht – wenn er nur wüsste, was! Vielleicht das mit dem Zungenkuss…? Da hätte ihm Kendra, das frühreife Luder sicher weiterhelfen können, wenn er…, ja eben, wenn. Es ist kaum möglich, aus dem weiteren Jugendensemble noch weitere Darsteller/Sänger herauszuheben, sie alle zeigen in sicherer Bühnenbewegung, Tanz, Gesang und Sprache eine überraschend professionelle Leistung und vermitteln doch den Eindruck jugendlicher Frische, Unbekümmertheit und Freude am Spiel.

Dazu trägt auch eine gelungene Sprache bei, die durchaus den Ton der Jugendlichen trifft, ohne künstlich auf „jung“ gemacht zu sein, auch diese Seite ist authentisch. Christoph Weyers zeigt in der Kinoszene, wie man mit einfachen Mitteln und scharfer, kalter Beleuchtung ein packendes Bühnenbild zaubert, in dem in den roten Sesseln romantische Gefühle ebenso Platz nehmen wie das kalt beleuchtete Gruseln des Films. Die Choreographie des Abends, um die sich Rafal Zeh gekümmert hat, ist flott, unbekümmert und weitgehend „natürlich“, auch einige eingestreute Rapszenen gelingen bestens. Hieran hat Markus Syperek in seiner vierköpfigen Band großen Anteil, die fast aus dem off, aber sehr präsent seitlich der Bühne platziert, das Geschehen musikalisch voran treibt und erst beim Schlussapplaus sichtbar wird.

Selten erwähnt, aber hier einfach notwendig: Die Theaterpädagoginnen Anke Krüger und Kathrin Otto haben diskret und mit sensibler Hand alle organisatorischen und persönlichen Schwierigkeiten beseitigen können, die auf dem Weg zur Aufführung reichlich zu überwinden waren, sie tragen mit dazu bei, dass die Jugendlichen mit großer Spielfreude und Professionalisierung bei der Sache sind.

Das Magazin zum Musical 13 ist ergiebig, nützlich und originell gestaltet. Was sich mancher Besucher einer Oper wünscht, eine Übersicht über die komplexen Beziehungen der Personen, fasst das Heft zu einem witzig-übersichtlichen Piktogramm zusammen.

Mit der Auswahl des Stückes von Jason Robert Brown, Dan Elish und Robert Horn sowie einer ideenreichen Inszenierung gelingt es Hansjörg Zäther, eine große Gruppe von jugendlichen Darstellern und Sängern zu einer Aufführung zu führen, die an Professionalität, Authentizität und gelungener, altersgemäßer Unterhaltung nichts zu wünschen übrig lässt. Diese Inszenierung ist preisverdächtig! Das sehen auch die Besucher so, die sich mit nicht endendem tosenden Applaus bedanken und noch gar keine Lust haben, nach Hause zu gehen.

Horst Dichanz







Fotos: Gert Kiermeyer
(Foto 1: Opernnetz)