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Fakten zur Aufführung 

JESUS CHRIST SUPERSTAR
(Andrew Lloyd Webber)
18. Januar 2014
(Premiere)

Theater Hagen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Cooler Gottessohn

Das Musical, das den Broadway-Papst Andrew Lloyd Webber berühmt machte, war nicht etwa Cats, sondern die Rockoper Jesus Christ Superstar, die die letzten Tage im Leben Jesu behandelt. Webber hatte davor bereits eine biblische Geschichte vertont, nämlich Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat und mit dem Erfolg der beiden Musicals beweist er die Theatertauglichkeit des Alten wie Neuen Testaments. Das Theater Hagen will mit der heutigen Premiere an den Erfolg seiner Musical-Produktion Rocky Horror Show anschließen, die hochgelobt und dauernd ausverkauft den Ruf des Hauses stärkte. Doch die durchkomponierte Rockoper, die ohne gesprochene Dialoge auskommt, ist nicht unbedingt eine dankbare Aufgabe für einen Regisseur.

Thilo Borowczak hat zusammen mit Bühnen- und Kostümbildnerin Lena Brexendorff das Geschehen in ein heutiges Szenario versetzt, in dem die Anhänger Jesu in cooler Streetwear mit Chucks und Beenie-Mütze „abhängen“ und – passend zum Zeitgeist der Musik – statt Wein lieber Joints konsumieren, im Tempel Waffen und Drogen aus Aktentaschen gehandelt werden und Pontius Pilatus in weißem Anzug mit ebenso weißen Tretern den nachdenklichen Tyrannen gibt. Das wirkt zum Teil recht angestrengt. Die Drehbühne, auf der eine offene, schwer einzuordnende Architektur und als Reich der Hohepriester ein Zimmer in Guckkasten-Perspektive zu sehen ist, belebt durch den nahtlosen Wechsel der Bilder passend zur durchkomponierten Musik die Bühne. Der Versuch, dem Genre gerecht zu werden, ist leider in der Ausführung der ansonsten handwerklich stimmigen Choreographie Ricardo Fernando gescheitert, auch wenn das Gehüpfe der Anhänger Jesu ironisch gemeint sein sollte. Gut, dass es auch die anderen Momente gibt – die beispielsweise mit Videoprojektionen von Volker Köster auf einer transparenten Zwischenwand Fragen und Symboliken aufwerfen, die plakative Handlungen und das Bevölkern der Bühne unnötig machen und eine subjektive Reflexion möglich machen. Nach der Pause haben die Elemente dann die Waage gefunden, und es wechseln sich hier passende fetzige Revue-Einlagen, emotionale Darstellungen und kluge Regieeinfälle ab. Schön der Schluss, der dem Zuschauer die Möglichkeit gibt, über die Beziehung zwischen Jesus und Judas nachzudenken.

Musikalisch ist theoretisch alles toll, wenn da nicht die Technik wäre, die die Leistungen verfremdet. Da muss noch etwas optimiert werden, damit auch in den oberen Rängen die Musik und Stimmen ausgeglichen ausgesteuert ankommen. Zwar zeigt sich das Backstage platzierte und von Steffen Müller-Gabriel geleitete Philharmonische Orchester Hagen von seiner besten Seite, von der aber wegen des blechernen Klang der Boxen und der aufgedrehten Lautstärke einiges wegbröckelt. Auch die Sänger haben besonders zu Beginn mit der Steuerung der Microports zu kämpfen: Carsten Lepper, der mit einer mehr als ausdrucksstarken und schön-timbrierten Stimme den innerlich zerrissenen Judas gibt, hat in seinem ersten Auftritt mit Intonationsschwierigkeiten in den hohen Lagen zu kämpfen, die er aber als Profi schnell ausgleicht. Im Verlauf des Abends kann er mit Verausgabung zeigen, was in ihm steckt und arbeitet das Rollenprofil stimmlich wie darstellerisch hervorragend heraus. Marylin Bennet ist eine ungewöhnliche Besetzung für die Maria Magdalena neben den vielen Hochschulabsolventen auf der Bühne, doch vereint sie mit ihrer reifen, vollen Stimme, ihrer spürbaren Bühnenerfahrung und ihrer feinfühligen Darstellung die Seiten der zwei Marien im Leben Jesu – die Mutter und die Partnerin. Pontius Pilatus wird von Rainer Zaun volltönend und vollendet interpretiert, eine perfekte Besetzung. Auch Richard von Gemert als Herodes kann wohl mit dem phantasievollsten Outfit und einer geschmeidigen Stimme eine gute Figur machen. Kaiphas und Hannas ergänzen sich passend als Paar mit mafiösem Outfit: Orlando Mason überzeugt mit profundem, tiefschwarzem Bass auf ganzer Linie und Kejia Xiong zeigt einen wohltönenden Tenor. Christian Bindert würde darstellerisch etwas mehr Souveränität gut tun, lässt stimmlich jedoch aufhorchen: Sein heller Tenor ist schmiegsam und gut artikuliert. Tillmann Schnieders hat die Rolle des kämpferischen Simon Zelotes mit rockigem Outfit verinnerlicht und gibt sie charakterstark wieder. Alle Register sprengt jedoch Hannes Staffler in der Titelpartie des Jesus, der viele Facetten in seiner wunderbaren Stimme zeigt, besonders in seiner ewig gehaltenen Kopfstimme in Gethsemane beeindruckt er nachhaltig, und auch die leisen Töne, wenn nicht vom übermäßig lauten Orchester übertüncht, berühren und demonstrieren seine hervorragende Stimmqualität. Auch im Spiel kann er sich als Idealbesetzung beweisen. Die zahlreichen Nebenpartien werden allesamt passend interpretiert und ansprechend gesungen, und auch der Chor unter der Leitung von Wolfgang Müller-Salow zeigt sich vielseitig und aufgeschlossen.

Während des Stückes gerät der Szenenapplaus etwas unsicher, aber zum Ende hin applaudiert das Publikum schließlich über 10 Minuten dem gesamten Team mit Pfeifen und Johlen. Wenn sich das Premierenfieber etwas gelegt hat und am Sound gefeilt wird, hat diese Inszenierung mit Hilfe der großartigen Sängerdarsteller das Zeug zum neuen Dauerbrenner im Theater Hagen.

Miriam Rosenbohm







Fotos: Foto Kühle