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Fakten zur Aufführung 

HÄNSEL UND GRETEL
(Engelbert Humperdinck)
26. November 2011
(Premiere)

Theater Hagen

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Heute hext man anders

Im Spagat zwischen Kinder-Märchenoper und „Erwachsenenoper“ legt die Hagener Inszenierung von Thilo Borowczak klar den Akzent auf eine Oper für Erwachsene und kann damit manche Kompromisse vermeiden, zum Nutzen der Aufführung.

Nach der choralhaft intonierten Ouvertüre öffnet sich eine in kühlem Blaugrau gehaltene, nur mit Tisch und Stühlen bestückte karge Bühne, die frösteln macht. Von der Decke hängt eine lange Reihe von Besen, der Broterwerb des Vaters. Hänsel und Gretel spielen und tanzen in diesem kahlen Raum, der kein Heimgefühl aufkommen lässt. Hänsel, von Christine Larissa Funkhauser, und Gretel, von Maria Klier gespielt und gesungen, nutzen den abweisenden Raum für kindliches Spiel und Tanzen, das wenig aufgesetzt wirkt. Funkhausers Hänsel füllt die Szene mit einem warmen, etwas dunkel getöntem Mezzosopran, Kliers Gretel klingt deutlich heller und erreicht erst in hohen Lagen ihren vollen Sopranklang. Beide geben den Märchenfiguren jederzeit eine jugendlich-glaubhafte Leichtigkeit und verzichten weitgehend auf Kindlichkeiten, zum Vorteil der Inszenierung. Dagmar Hesse spielt die Mutter Gertrud als harte Figur mit gläserner, gelegentlich auch schriller Sopranstimme, die den abweisenden Charakter der Mutter unterstreicht. Dagegen führt Rolf A. Scheider mit seinem vollen Bassbariton viele Szenen musikalisch und stimmungsmäßig zusammen, quasi als Gegenpol zur Figur der Mutter.

Mit dem kühlen Bühnenbild des 1. Aufzugs und den hinter Gazevorhängen entrückten Träumen der Kinder im 2. Bild erhalten diese beiden Akte fast einen sozialkritischen Unterton, mit dem  die Ausstattung von Jan Bammes den Gegensatz zum 3. Aufzug unterstreicht.

Hier erst erscheint das bunt-malerische, ein wenig futuristische Knusperhäuschen auf der Bühne, hier wird richtig gehext und verhext – mit rotem LED-Lichtzauberstab! Marilyn Bennets Hexe, deren Kostüm Christiane Luz wirkungsvoll in rot-schwarz entworfen hat, nutzt alle Möglichkeiten, diese Rolle zu einer skurrilen  Figur zu machen: In einem leuchtendroten langen Lederkleid – oder ist es Latex?- seitlich geschlitzt, stakst sie auf high heels hüftschwingend durch die Szene, wirbelt ihren in roten Girlanden endenden Haarputz und tippt und kratzt mit langen, ebenfalls in Rot endenden Krallenfingern an Hänsel herum, um seinen „Reifegrad“ zu testen – herrlich komisch. Ihr klarer und sicherer Mezzosopran gibt ihr viele Möglichkeiten, der Rolle absonderliche Akzente zu geben und aus der Gruselfigur eine Hexe zu machen, der Kinder und Erwachsene auch symphatische Seiten abgewinnen. Sie hat, schon aus anderen Stücken, Übung in dieser Rolle.

Das Sandmännchen bekommt eine herrlich konzentrierte Szene mit einer orangerot leuchtenden Bühnendekoration, sie unterstreicht den träumerisch entrückten  Märchencharakter dieser Szenen. Die 14 Englein, dargestellt und getanzt von Schülern der Ballettschule Ivancic, schweben in weißem Gefieder aus dem Hintergrund ins Bild, als Traumgestalten hinter milchiger Gaze versteckt. Warum die Engel allerdings Hakenschnäbel tragen, bleibt unerfindlich - Karneval in Venedig?

Nach dem Blaugrau des ersten Bildes versteckt Jan Bammes die Figuren in einem magischen, geheimnisvollen grünbraunen Wald, aus dem immer wieder Tierköpfe mal real, mal magisch mit großen Augen hervorlugen. Das Knusperhäuschen, in Grüngold gehalten, steht im Mittelgrund der Bühne, die Feuerszene vor und schließlich im Ofen bleibt übersichtlich, bis die Hexe sich in weißem Rauch auflöst - eine gelungene Dekoration, die den Spielern viel Platz und der Zuschauerphantasie viel Raum lässt.

Das philharmonische Orchester Hagen und der Kinder- und Jugendchor des Theaters bewältigen  unter Florian Ludwig ihre Aufgaben ohne Probleme. Die häufig geforderte Bläsergruppe setzt klare Akzente, und die Melodiegirlanden der Flöten ziehen sich hell leuchtend und schwebend durch die Traumwelten. Die von Volker Köster eingespielten Videoprojektionen bleiben Beiwerk, die auf den Mond projizierten Gesichter wirken eher befremdend.

Thilo Borowczak führt mit seiner Inszenierung von Humperdincks Hänsel und Gretel vor, dass dieses „Kinderweihespiel“  genügend Spiel- und Musiksubstanz hat, um zu einem ansehnlichen Opernabend für Erwachsene und Kinder zu werden. Die Besucher vorwiegend der Eltern- und Großelterngeneration sind hoch zufrieden und danken mit lang anhaltendem, herzlichem  Premierenapplaus. Aber auch die wenigen Kinder haben Freude an dieser Aufführung. Jonas, 11 Jahre und Klarinettenspieler, sowie Sonja, 13 Jahre und am Klavier trainiert, waren sich einig: „Die Hexe - echt Klasse.“

Horst Dichanz






 
Fotos: Stefan Kühle