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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
5. Mai 2012
(Premiere)

Theater Hagen

Points of Honor                      

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Triste Bühne, feurige Musik

Die Feier zum 100-jährigen Bestehen des Theater Hagen hat mit der „Oper aller Opern“ einen musikalischen Höhepunkt erreicht. Im Programmheft erläutert Dramaturg Jan Henric Bogen nicht die Inszenierung, sondern die historisch-informierte Aufführungspraxis; und schon die Ouvertüre beweist, dass sich das Philharmonische Orchester Hagen in den Mittelpunkt der Aufführung spielt. Unter der musikalischen Leitung von Florian Ludwig spielen sie mit großer Detailschärfe, mit luftiger Transparenz für Nebenstimmen und mit dem stetigen Drang nach vorne, ohne je in Hektik zu verfallen. Diese Interpretation erfordert von den Musikern, gerade in der Riege der Holz- und Blechbläser, großen Mut, Flexibilität und auch eine gewisse Risikobereitschaft. Nicht immer gelingt jeder Ton, doch im Gesamtergebnis belohnt sich das Orchester selber mit einer spannenden Umsetzung voller Akzente und Dramatik. Das Rezitativ der Donna Anna, die Stretta des ersten Finales, der Farbenreichtum der Registerarie und die dramatische Höllenfahrt sind Beispiele für den schön italienischen Mozart-Klang. Im Gegensatz zu den sonstigen Tempi sind die Rezitative eher ruhig genommen, damit die Sänger ihren Text wirklich gestalten können. Und das aufgebotene Ensemble geht in seinen Rollen mit großer Intensität auf. Die vokale Qualität ist sehr hoch, nur beim Komtur von Michail Milanov, der den steinernen Gast durchaus mächtig, aber auch unsauber singt, sind einige Abstriche zu machen. Orlando Mason ist ein baumlanger Masetto, der auch stimmlich der Figur Größe gibt. Seine Zerlina kann sich bequem an seinen Oberarm anlehnen und Maria Klier verleiht der Rolle durchaus auch niedliche Sopran-Töne. Die ursprüngliche Donna Elvira, Kristine Larissa Funkhauser, hält eine lang andauernde Bronchitis vom Auftritt ab. Die technisch starke Noa Danon vom Theater Magdeburg springt ein und liefert ein spannendes Portrait der innerlich zerrissenen Geliebten. Jeffery Krueger überzeugt restlos als Don Ottavio, dem er viel Gefühl, aber durchaus auch eine große Portion Selbstbewusstsein verleiht. Jaclyn Bermudez erringt sich mit der Donna Anna den nächsten Erfolg am Theater Hagen, wenngleich ihre Koloraturen noch präziser sein könnten. Aber der leidenschaftliche Vortrag mit modulationsfähigem Sopran erweist der Sängerin und der Rolle alle Ehre. Was Rainer Zaun an Charisma in der Stimme mangelt, macht er mit vokalem Witz wieder wett, ohne je ins Chargieren zu geraten. Sein Leporello ist eine pralle Figur, ein behäbiger Diener mit umso agilerem Spielbass. Köstlich auch sein Zusammenspiel mit Raymond Ayers, der den Don Giovanni nie künstlich dämonisch aufbläht, sondern den zügellosen Edelmann mit schlankem Bariton und vielen sanften, schmeichelnden Tönen ausstattet. Seinen Verführer gestaltet er als einen jugendlichen Blender, der den Frauen mit einem silbergrauen Tuch die Sicht auf die Wirklichkeit nimmt. Doch auch auf die herausfordernde Kraft für das Finale braucht man bei Raymond Ayers nicht zu verzichten. Eine gelungene Interpretation der vielschichtigen Titelfigur.

Das Ensemble und auch den von Wolfgang Müller-Salow wohl präparierten Chor weiß Regisseur und Intendant Norbert Hilchenbach in einer sehr dosierten Inszenierung einzusetzen. Viele seiner Einfälle sind nicht neu, hinlänglich bekannt aus anderen Inszenierungen. Mutig ist seine Arbeit daher sicherlich nicht, aber nichtsdestotrotz hat er einen Blick für das Personal. Die räumliche Distanz zwischen Anna und Ottavio spricht Bände und ihre sparsame Zweisamkeit markieren wichtige Momente. Auch zwischen Zerlina und Masetto gibt es spannungsgeladene Szenen, die ihrer Ehe für die Zukunft aber kaum Hoffnung geben. Donna Elvira, die als einzige im leidenschaftlichen Rot gekleidet ist und ihren Brautschleier noch in der Manteltasche mit sich trägt, zieht sich Giovannis Jackett wie eine Zwangsjacke über. Leporello führt das Register mit einer Polaroid-Kamera. Sängerfreundlich, aber szenisch irritierend ist dagegen mancher absolute Stillstand in den Arien. Yvonne Forsters Kostüme sind genauso schlicht wie die Lichtregie von Ulrich Schneider. Das triste Bühnenbild von Jan Bammes hat den großen Vorteil, dass es, auf der Drehbühne montiert, eine Vielzahl von Auftrittsmöglichkeiten und Variationen gibt, doch attraktiver werden die beiden großen, marmorierten Mauerriegel mit diversen Türen und Nischen dadurch nicht. Immerhin werden sie dramatisch durchaus klug eingesetzt, etwa im Sextett des zweiten Aktes, oder auch im Finale, wenn Don Giovanni von den Wänden verschluckt wird.

Die schlichte Inszenierung wird vom Publikum freundlich, aber merklich ruhiger beklatscht, während das gesamte Ensemble vom Publikum wohlwollender, aber auch nicht überschäumend gefeiert wird. Für das Theater Hagen ist dieser Don Giovanni aufgrund seiner hohen musikalischen Qualität in seinem Jubiläumsjahr ein nicht zu unterschätzender Erfolg.

Christoph Broermann





 

Fotos: Foto Kühle