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Fakten zur Aufführung 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioacchino Rossini)
16. April 2011 (Premiere)

Theater Hagen


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Schräge Typen

Ein buntes Feuerwerk an Gags reiht Annette Wolf da aneinander. Kein Wunder also, dass viel und herzlich gelacht wird in diesem Barbiere di Siviglia. Da erscheinen aber auch wirklich die skurrilsten Personen, etwa dieser stumme, wie aus der Rocky Horror Show herüber gewechselte bucklige Diener, der die Haushälterin Marcellina anschmachtet – diese wiederum ist eine Art Dame Edna, die ständig zur Flasche greift. Der Hausherr selbst, Dr. Bartolo, ist kein nobler Medicus, sondern eher so etwas wie der sadistische Zahnklempner aus dem Kleinen Horrorladen, dem man am auf keinen Fall in seiner Praxis begegnen möchte. Im Vergleich dazu wirkt die blonde Modepuppe Rosina noch am natürlichsten und auch der Figaro, gestylt und sich bewegend wie John Travolta in Saturday Night Fever, kommt eher „normal“ ’rüber. Graf Almaviva, bis über beide Ohren in Rosina verliebt, ist ein knackiger Teenie, der sein lockiges Haar zum Zopf gebunden hat.

Lena Brexendorff unterteilt die Drehbühne in drei praktische Segmente, ausstaffiert mit gemalter (Schein-)Architektur, die an Illustrationen für Kinder- oder Jugendbücher erinnern. Und ein wenig an die Geschichten aus solchen Büchern erinnert die ganze Inszenierung. Die spielt in einem Haus voller Türen, Fenstern und Eingängen, in dem man jederzeit damit rechnen muss, dass eine unliebsame Person wie ein Springteufel auftaucht.

Mit diesem Tableau an typisierenden Figuren können Wolf und Brexendorff, die in Hagen bereits vor zwei Jahren mit großem Erfolg Rossinis Cenerentola inszeniert haben, einen unterhaltsamen Abend kreieren – das ist viel. Was nicht ganz gelingt, ist der große Bogen, eine Gesamtsicht auf Rossinis Oper. Bei der wilden Folge von evozierten Lachern fällt auch ein wenig von der Delikatesse und der Spitzfindigkeit des musikalischen Feuerwerks unter den Tisch.

Sängerisch glänzt mit weitem Abstand Kristine Larissa Funkhauser als Rosina – mit glutvoller Tiefe und mühelos strahlender Höhe bewältigt sie den enormen Ambitus dieser Partie. Nicht zuletzt auch die Fähigkeit, wie selbstverständlich halsbrecherische Koloraturen zu gestalten, heben sie an diesem Abend aus dem Ensemble heraus. Biegsamen Rossini-Gesang kann auch Christine Graham als grandiose Marcellina in ihrer Arie „Il vecchiotto cerca moglie“ bieten. Jeffery Krueger in der Rolle des Almaviva ist ein wunderbarer Sängerdarsteller, Raymond Ayers als Figaro nicht minder – beider Stimmen klingen toll, haben ausreichende Beweglichkeit, aber noch nicht die absolute technische wie klangliche Perfektion. Auch Orlando Mason als Basilio, dieser verstaubte Musiklehrer aus längst vergangenen Zeiten, muss sich für Rossini noch gesangstechnisch nach vorn entwickeln. Sein Bass bringt die Voraussetzungen zweifelsohne mit. Rainer Zaun als eifer- und eigensüchtiger Fiesling Dr. Bartolo überzeugt sowohl durch urkomisches Spiel, als auch gesanglich.

Rossini ist immer der große Ernstfall für ein Musiktheater – zumal für ein kleines oder mittleres. Unter diesem Aspekt hat Hagen wieder einmal Enormes geleistet. Bernhard Steiner am Pult des Philharmonischen Orchesters schlägt zügige Tempi an, koordiniert zuverlässig zwischen Graben und Bühne, lässt den Orchesterklang blühen.

Das Premierenpublikum ist restlos begeistert von den unerwarteten Bildern, identifiziert sich mit den „modernen“ Typen, feiert Solisten und Ensemble mit ungewöhnlich kraftvollem Beifall.

Christoph Schulte im Walde

 







 
Fotos: Stefan Kühle