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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
9. November 2013
(Premiere)

Opernhaus Graz


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Szenisches Sammelsurium

Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart zählt weltweit zweifellos zu den populärsten und meistaufgeführten Opern überhaupt. Deswegen musste dieses Werk wohl schon unzählige Deutungsversuche über sich ergehen lassen. Die diversen Inszenierungen sind naturgemäß von unterschiedlichster Qualität. Jetzt setzt Mariame Clément mit ihrer Sichtweise diese lange Reihe am Grazer Opernhaus fort. Es ist eine Arbeit, die als Koproduktion mit der Opéra du Rhin und der Opéra de Nice Cote d’Azur, wo sie schon Ende 2012, bzw. Anfang 2013 aufgeführt wurde, entstanden ist.

Orientiert am Film Stalker von Andrej Tarkowski und einigen weiteren Filmen lässt die französische Regisseurin, die am Opernhaus Graz schon 2011 Gounods Faust sowie im selben Jahr am Theater an der Wien Rameaus Castor et Pollux inszeniert hat, das Musikdrama keinesfalls als poetisches Märchen, sondern vielmehr als eine Art von Endzeitdrama ablaufen und stellt die Natur der Wissenschaft gegenüber. Deshalb sieht man auf der Bühne im ersten Akt auch viel Natur, eine weitläufige Hügellandschaft, die Ausstattung stammt von Julia Hansen, mit hohem Gras und einigen Felsen, eine Natur die jedoch durch eine Katastrophe aus dem Lot geraten scheint: Viel Gestrüpp, in dem Müll hängt und ein Flugzeugwrack, in dem Papageno haust. Optisch wirkt dieser wie ein heutiger Aussteiger und ein Messie, da er allerlei wie etwa Plastiktüten sammelt. Der mit Lederjacke und Mobiltelefon ausgestattete Tamino scheint überhaupt von einem ganz anderen Planeten zu kommen: Er spricht anfänglich immer wieder koreanisch und darf bald einem echten weißen Hund begegnen. Die Königin der Nacht erscheint nicht, sondern kriecht ganz unspektakulär aus einem Erdloch hervor. Die Eingeweihten erweisen sich als Naturforscher im Anzug und mit Brillen, die die Natur durchstreifen und sich dabei auf einem Block eifrig Notizen machen. Sie leben, wie im zweiten Akt ersichtlich, in einem hässlichen, in braunem Holz bis zur Decke vertäfelten Laboratorium, eine Art Bunker, in dem sich überall an den Wänden Pflanzen in kleinen, beleuchteten Vitrinen finden. In dieses kann man durch gesicherte Türen, aber auch über eine heraus fahrbare Rutsche, die immer wieder benützt wird, gelangen. Bevor sie dort eintreten, müssen jedoch Unmengen von Putzfrauen zur Reinigung eingesetzt werden, die auch Stühle herein- und hinausschleppen. Als besonderer Gag wird die Ansprache Sarastros vor den „Wissenschaftlern“ etwas chaotisch simultan ins Englische und ins Griechische übersetzt. Auch Videos werden immer wieder eingesetzt, etwa bei der Schlange zu Beginn, wie auch bei den Feuer- und Wasserprüfungen, die als entsprechende Katastrophenfilme gezeigt werden. Immer wieder lässt Clement bei der Zeichnung der Personen, denen sie insgesamt viel zu wenig Profil gibt, die Grenzen zwischen Gut und Böse völlig verschwimmen. Zum Finale werden Sarastro und die Königin der Nacht entgegen dem Libretto zum Paar und dürfen sich lang und heftig küssen. Nicht unbedingt eine neue Idee! Zweifellos hat sich die junge Regisseurin viel Gedanken gemacht. Aber trotz allen Bemühens entsteht ein wahres Sammelsurium von Ideen, die nicht wirklich aufgehen und zu keiner eindeutigen Deutung führen. Da hilft es auch nicht, dass die Inszenierung mit einigen guten und mehreren schlechteren Gags aufgepeppt wird.

Leider ist auch musikalisch nicht alles im Lot. So herrscht eine ziemliche Inhomogenität hinsichtlich der Qualität bei den Sängern vor: Positiv fällt eindeutig Yosep Kang auf, der als Tamino über einen hellen, kraftvollen und klangschönen Tenor mit sicherer Höhe verfügt. André Schuen ist ein warmer, kerniger Papageno, den man, von der Regie gebremst, ruhig etwas mehr Witz und Charme versprühen lassen könnte. Er wird übrigens kommendes Frühjahr am Theater an der Wien am konzertanten Mozart-Da-Ponte-Zyklus bei allen drei Opern unter dem Dirigat von Nikolaus Harnoncourt in mehreren Hauptrollen mitwirken. Manuel von Senden ist ein gemeiner, feinstimmiger Monostatos. Zu wenig edel und mit zu wenig profunder Tiefe singt Wilfried Zelinka einen am Blindenstock herumstolpernden Sarastro. Mit sehr kleiner Stimme, aber sehr sauber, anfänglich etwas zu zurückhaltend, singt die eingesprungene, von der Staatsoper Wien ausgeborgte Hila Fahima die Königin der Nacht. Nazanin Ezazi verfügt als Pamina über eine glockenreine Höhe, kämpft jedoch immer wieder mit der Intonation und dem Rhythmus. Insgesamt wirkt sie unsicher und überfordert. Tatjana Miyus ist eine witzige, ungemein rein singende Papagena. Mit breit ausladender Stimme hört man David McShane als Sprecher. Nur solide singen Konstantin Sfiris und Taylan Reinhard die Priester. Mit saubersten Tönen hört man die drei Damen – Margareta Klobucar, Dshamilja Kaiser, Xiaoyi Xu – die als ganz junges Mädchen, als Schwangere und als alte Frau am Stock die drei Lebensaltersabschnitte symbolisieren sollen. Hingegen nicht immer intonationsrein singen die drei Knaben, die aus einer Schublade erscheinen müssen. Kraftvoll und ausbalanciert klingt der Chor des Hauses, dessen Einstudierung in den bewährten Händen von Bernhard Schneider liegt.

Zwar ist die musikalische Realisierung der Grazer Philharmoniker unter Dirk Kaftan frisch und lebendig. Er lässt Mozart auch in einer breiten dynamischen Palette erklingen. Jedoch wirkt der neue Chefdirigent zwischendurch recht unruhig und immer wieder recht hektisch, was sich auch auf die Musiker überträgt. Zudem schafft er es mit seiner extrem straffen Tempowahl immer wieder, die Sänger nachhinken zu lassen.

Trotzdem scheint es dem Publikum gefallen zu haben. Es applaudiert heftig, nahezu ohne Einwände.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Werner Kmetitsch