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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
29. September 2013
(Premiere)

Opernhaus Graz


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Poetische, bildgewaltige Welten

Zusammengekauert im Abseits sitzt sie am Boden und scheint sich in ihrer Seelenpein zu winden. Und während sie leidet, spielt Elsa mit kleinen, weißen Federn. So beginnt und so endet Richard Wagners Lohengrin am Grazer Opernhaus und so schließt sich der Kreis.

Kleine, weiße Federn schweben auch von der Decke auf die Zuschauer beim erstmaligen Auftauchen des „Schwanenritters“, der nicht mit einem Schwan, sondern in einem mit weißen Federn gefüllten, sehr ästhetisch anmutenden Kubus erscheint. Ästhetisch ebenso im dritten Akt, wenn Elsa und Lohengrin erstmalig allein sind und hoch im Raum auf einer weißen Plattform schweben, bevor sie die verhängnisvolle Frage stellt, während rundherum die Welt mit ihren knorrigen, schwarzen Bäumen im düsteren, bedrohlichen Dunkel versinkt: Johannes Erath lässt die diesjährige Grazer Eröffnungspremiere in verschiedenen Welten und Zeitebenen spielen, was auch durch die ausnehmend schönen Kostüme, die vom französischen Starmodeschöpfer Christian Lacroix kreiert wurden und teils aus dem Heute, teils aus vergangenen Zeiten stammen wie jenes des Königs und den dazugehörigen Insignien der Macht. Auch ein mittelalterliches Schwert darf nicht fehlen.

Dem österreichischen Regisseur, der hier am Haus schon mehrfach Regie geführt hat, zuletzt die Elektra von Richard Strauss auf die Bühne brachte, gelingt eine sehr poesievolle, bildgewaltige, teils märchenhafte Inszenierung, in der er viel mit Metaphern und Symbolen spielt. Dazu tragen die sehr ästhetischen, in schwarz-weiß gehaltenen Kulissen von Kaspar Glarner mit einer düsteren Schneelandschaft und einer Kirchenruine bei, die frappant an das Gemälde von Caspar David Friedrich Klosterruinen im Schnee erinnern. Erath hat in seiner klaren Personenführung alles durchinszeniert, so auch das Vorspiel zum dritten Akt, wo er statt eines Hochzeitszuges die Vorgeschichte mit der Entführung von Elsas Bruder Gottfried spielen lässt, den Otrud zum Finale dann aus einem Tuch wickelt und Elsa zurückgibt.

Für den erkrankten Johannes Chum eingesprungen ist Herbert Lippert mit seinem sehr späten Rollendebüt als Schwanenritter. Anfänglich klingt sein Gesang erstaunlich unsicher, als ob er gerade erst mit dem Notenstudium fertig geworden wäre. Doch im Laufe des Abends kann er immer sicherer mit seinem wunderbaren, hellen Tenor punkten und die Rolle sehr innig gestalten. Nur ist der Lohengrin für ihn eindeutig zu lyrisch, denn es fehlt ihm an kraftvoller Attacke. Ihm zur Seite steht mit Sara Jakubiak eine mädchenhaft jugendliche, innig singende Elsa von Brabant, die mehr das Dramatische als die Wärme des Ausdrucks hervorkehrt. Mit maßloser Bühnenpräsenz voll Wildheit und Stolz erlebt man Anton Keremidtchiev als stimmgewaltigen, kernigen Grafen Telramund. Michaela Martens könnte noch mehr den Zynismus und die dunkle Seite der mephistophelischen Ortrud hervorkehren. Es fehlt ihr an Stimmvolumen in der tieferen Lage. Derrick Ballard verfügt als König Heinrich über zu wenig Bassschwärze. André Schuen hingegen ist ein schönstimmiger Heerrufer. Der meist kollektiv inszenierte und aufgefädelt auf Stühlen sitzende Chor wurde von Bernhard Schneider fabelhaft einstudiert.

Aus vorerst völliger Dunkelheit vernimmt man die ersten Töne aus dem Graben. Von silbrigen Klängen ist beim Grazer Philharmonischen Orchester jedoch anfänglich wenig zu hören, denn die Streicher klingen dünn und unsauber, wodurch beim Vorspiel viel an Klangwirkung verloren geht. Mit dazu trägt Julien Salemkour bei, der von Anfang viel (zu) straffe Tempi anschlägt. Dass es anders klingen kann, erlebt man dann im Laufe des Abends, denn dann weiß er mit nie erlahmender Energie und eminenter Gestaltungskraft herrliche Farben, Tonschönheiten, Spannungsbögen und einen Fassettenreichtum aufzubauen, ohne die Sänger zuzudecken. Leider fehlt es insgesamt etwas an Subtilität.

Großer ungetrübter Jubel im Publikum.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Werner Kmetitsch