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Fakten zur Aufführung 

TESEO
(Georg Friedrich Händel)
8. Juni 2011
(Premiere: 3. Juni 2011)

Internationale Händelfestspiele Göttingen
Deutsches Theater Göttingen


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Lebenspralles Barock

‚Vive le Baroque‘ lautet in diesem Jahr das Motto der Internationalen Händelfestspiele Göttingen, Händel und Frankreich ist der Schwerpunkt. Auch abgesehen von diesem programmatischen Gedanken hat das Motto absolute Berechtigung, denn die diesjährige Opernproduktion steht für ein rauschendes Fest im Zeichen barocker Üppigkeit und gerät damit zu einer gelungenen Hommage an diese Zeit.

Händels Oper Teseo steht nicht mehr im Mittelpunkt des Repertoires. Umso dankenswerter ist es, dass sich das ambitionierte Göttinger Festival dieses wenig gespielten, aber unbedingt hörenswerten Werkes angenommen hat. Die Regisseurin und Choreographin Catherine Turocy ist in Göttingen keine Unbekannte mehr und hat sich zusammen mit Scott Blake (Bühnenbild) und Bonnie Kruger (Kostüme) der szenischen Umsetzung angenommen. Turocy gilt als eine führende Spezialistin für die Rekonstruktion historischer Aufführungspraktiken und insbesondere von Choreographien. Das ist nicht nur in jedem Moment dieser Produktion zu sehen, sie profitiert vor allem sehr davon. Die Geschichte stammt aus der griechischen Mythologie, mit Schlachten und Gemetzeln – König Egeo und sein Feldherr Teseo –, diese umrankenden Liebesgeschichten – Egeos Mündel Agilea, die aber eigentlich Teseo liebt, ihre Vertraute Clizia, auf die Egeos Vertrauter Arcane wartet –, und über allem die Zauberin Medea, die mit all ihren Verwandlungskünsten für reichliche Verwirrung sorgt. Alles ist aufgeladen von typischen Theatereffekten des beginnenden 18. Jahrhunderts. Sicher ist es auch hier möglich, nach aktuellen Bezügen zu fragen und kritisch zu reflektieren, was alle diese Menschen mit uns heute zu tun haben. Wenn aber eine handwerklich so gekonnte und souveräne Arbeit wie die Catherine Turocys dabei herauskommt, ist es eine große Freude, das Bühnengeschehen in einem Rahmen und mit vielen Gesten und Effekten zu sehen, die vor allem der Uraufführungszeit 1713 entsprechen. Es gibt kaum gebaute Kulissen, der imaginierte prächtige barocke Palast ist ebenso aufgemalt wie die Hintergründe, die mal eine Silhouette von Gebäuden, mal öde Wüste zeigen. Dampf steigt aus dem Boden auf, begleitet von leuchtenden Lichteffekten, wenn Medea ihre Furien anruft. Kurz vor Schluss kündigt ein projizierter fliegender Drache ihre letzte Ankunft an, Medea lässt alles in Feuer aufgehen und die Bühne ist hell erleuchtet von ebenfalls projizierten Flammenmeeren. Diese barockisierenden Bühneneffekte kommen aber bewusst ganz spielerisch zum Einsatz. Auf ein Rechteck über der Bühne werden nicht nur die Übertitel geworfen, sondern auch Videoeinspielungen der Darsteller hinter der Bühne. Das bricht den Umgang mit der barocken Theatertradition, zeigt, dass alles nur ein Spiel im Spiel ist und dass die Darsteller selbst nach oder vor ihren Auftritten Menschen von heute sind, die mit den Mitteln, die auf der Bühne gezeigt werden, kokettieren. Einer der Höhepunkte der Stilisierung barocken Gehabes sind die schreitenden Bewegungen der Protagonisten, ergänzt durch Tanzeinlagen von Mitgliedern der New York Baroque Dance Company, deren Leiterin Catherine Turocy ist. Die Tänzer funktionieren gleichsam als Statisten zwischen den Sängerinnen und Sängern, treten in einer großen Tanzszene auch einmal selbst als Protagonisten auf. Alle Beteiligten auf der Bühne tragen detailgenau und fantasievoll gearbeitete Kostüme, entsprechend ebenfalls im Stil des frühen 18. Jahrhunderts.

Musikalisch gerät der Abend zu einem wahren Feuerwerk. In seinem letzten Festspieljahr in Göttingen zeigt Nicholas McGegan noch einmal auf ganzer Ebene, was für ein großartiger Händel-Spezialist in ihm steckt. Er selbst steht am Cembalo, dirigiert von dort aus, ein zweites Cembalo steht direkt gegenüber, die Musiker sitzen im Oval darum, die Instrumentengruppen nicht streng getrennt, sondern bunt gemischt, fast alle haben Blickkontakt miteinander. So können alle unmittelbar aufeinander reagieren. Obwohl McGegan die Fäden sehr sicher in der Hand hält, profitieren Sicherheit und Präzision des Musizierens zusätzlich davon, dass sich eben alle im Blick haben. Im Hinblick auf Exaktheit der Intonation, Klangkultur und Transparenz gelingt so – auf überwiegend historischen Instrumenten – eine Wiedergabe der Partitur, die im besten Sinn des Wortes festspielreif ist.

Dazu hat McGegan ein formidables Ensemble versammelt, das den speziellen Anforderungen Händels mit bewundernswerter Stilsicherheit gewachsen ist. Obwohl es schwer fällt, grundsätzliche graduelle Unterschiede zu benennen, muss dabei doch die Medea der Dominique Labelle an erster Stelle genannt werden. Sie verbindet stimmliche Flexibilität und Leichtigkeit mit dramatischer Verve, gepaart mit einer temperamentvollen Darstellung der Zauberin Medea. Susanne Rydén in der Titelpartie und Amy Freston als Agilea nehmen mit ihren edlen, hellen Sopranstimmen nicht weniger für sich ein als die Alti Drew Minter als Egeo und Robin Blaze als Arcane. Hochklassige Besetzungen auch in den kleinen Partien mit Céline Ricci als Clizia und Johanna Neß als Minerva zu hören.

Optisch und akustisch ist dem ältesten und traditionsreichsten deutschen Festival, das sich um das Repertoire Händels und seiner Zeit kümmert, ein wahres Fest gelungen. Trotz der historisierenden Aufführungspraxis demonstriert dieser Teseo eindringlich die Aktualität und Vitalität des Komponisten Georg Friedrich Händel. Begeisterter Beifall und viele Bravi gab es schon während der Aufführung nach den Arien, am Ende entlud sich ein wahrer Begeisterungssturm.

Christian Schütte

 







 
Fotos: © Theodoro da Silva