Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DER BESUCH DER ALTEN DAME
(Gottfried von Einem)
22. Juni 2011
( Premiere: 14. Mai 2011)

Stadttheater Gießen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Interview

Opernnetz-Herausgeber Franz R. Stuke im Gespräch mit Intendantin Cathérine Miville.

 
 

zurück       Leserbrief

Kritisches Musiktheater

Cathérine Miville inszeniert von Einems Oper mit dem „giftigen“ Dürrenmatt-Text als allgemeingültige Warnung vor kollektiver und individueller „Scheinmoral“ zu Zeiten einer am Geld orientierten „Weltordnung“. Wie schon Dürrenmatts listig-komödiantische Systemkritik von 1965 – und die Oper von 1971 – wird in Gießen auf zwanghafte Aktualisierungen verzichtet: Die Herrschaft des Mammons als zerstörerisches Prinzip ist bedrohlich genug – da bedarf es nicht der Verweise auf Lehman Brothers, Maggie Thatcher oder auf die neoliberale Westerwelle: Handlung, analytische Texte, Musik und Gesang provozieren kritische Reflexion im Übermaß (wenn auch heutzutage zur Rechtfertigung der Gier die vor 45 Jahren angestellten „moralischen“ Kategorien gegenstandslos geworden sind).

Lukas Nolls Bauten auf der Drehbühne verfremden eine beherrschende Tribüne, schaffen assoziationsreiche Räume; er lässt kopfüber die Silhouette Güllens vom Schnürboden baumeln, vermittelt mittels wischender Projektionen eine Atmosphäre unklaren Bewusstseins.

Herbert Gietzen entwickelt mit den sehr präzisen Musikern des Philharmonischen Orchesters Gießen eine kommunikativ-dramatisierende musikalische Interpretation – ganz im Sinne der von Einemschen „Theatermusik“ – Schlagwerke demonstrativ einsetzend, Streicher kalmierend zu lyrischen Passagen, vor allem das spontan eingreifende Blech hochdramatisch präsentierend – und in permanenter Symbiose mit den Solisten auf der Bühne!

Caroline Whisnant ist als Claire Zachanassian sowohl die souveräne „Maharani“ als auch die rächende Frau, ist die Inkarnation der existentiell Verletzten, aber auch die in Erinnerungen Schwelgende und am Ende die gnadenlos Obsiegende – mit ihrem Opfer als „Denkmal“. Was die Sängerin im Wechsel von dramatisierendem Sprechgesang, exaltierten Höhen und lyrischen Passagen bietet, ist grandios: Eine Sängerin-Darstellerin mit grandiosem Format!

Edward Gauntt gibt den schuldbeladenen Alfred Ill mit traumhaft sicherer Artikulation - verkörpert seine geleugnete Schuld mit viel Emotion, gewinnt in der Verfolgten-Rolle und wird im Finale mit seinem sonoren Timbre zur Mitleids-Figur.

Dan Chamandy singt mit hell-scharfem Tenor einen populistischen Bürgermeister; Stephan Bootz gibt stimmstark den heuchlerischen Pfarrer; Tomi Wendt ist der standesbewusste Lehrer mit überzeugender Intonation; die vielen Rollen werden vom Gießener Ensemble bravourös kompetent vertreten – der Chor (Leitung Jan Hoffmann) überzeugt mit kollektiver Interpretation der von Einem-Vorgaben.

Das aufmerksame Gießener Publikum folgt intensiv – wenn auch einige wenige permanent sinnloserweise im Programmheft blättern, mit den Titeln an den Bühnenportalen nicht klar kommen und man sich tuschelnd austauscht: Die Atmosphäre allerdings ist beispielhaft, was auch in den Pausengesprächen deutlich wird!

Franz R. Stuke

 





Fotos: Theater Gießen