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Fakten zur Aufführung 

KONRAD ODER DAS KIND AUS DER KONSERVENBÜCHSE
(Gisbert Näther)
23. November 2013
(Premiere)

Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen


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Ziviler Ungehorsam

Normalerweise ist es ja so: Die Eltern sind die Vernünftigen, Angepassten; ihre Kinder die freien Wildfänge. Anders verhält es sich bei Berta Bartolotti. Die bunte, lebenslustige Frau erhält eines Tages Post. Aus einer übergroßen Konservenbüchse steigt der siebenjährige Konrad heraus und erklärt Beta zu seiner Mutter. Der Junge ist brav, lernt fleißg und geht gerne rechtzeitig ins Bett – ein Traum für alle Erwachsenen, die mit tobenden, kreischenden und ungehorsamen Kindern nicht zurecht kommen. Konrad ist fälschlicherweise von der „Fabrik“, in der er hergestellt worden ist, an Berta Bartolotti geliefert worden. Doch bald finden die beiden zusammen, bilden mit dem Apotheker Egon – mit dem es bald Diskussionen um die richtige Erziehung gibt – eine Familie. Und mit dem Nachbarsmädchen Kitti findet Konrad schnell eine Freundin. Doch die Fabrik fordert Konrad eines Tages zurück...

1975 erschien Christine Nöstlingers Kinderbuch Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse. Regisseurin Ulla Theißen, die auch das Libretto für die diesjährige Gelsenkirchener Kinderoper schrieb, und Komponist Gisbert Näther haben daraus ein stimmiges und intelligentes Stück Theater gemacht. Konzeptioneller Knackpunkt ist dabei die Aufteilung der Rollen: Während alle positiv gezeichneten Protagonisten von Sängern/Schauspielern dargestellt werden, werden die meisten negativen Personen – die Kinder, die Konrad auf Kittis Geburtstagsparty ärgern, und die Mitarbeiter der „Fabrik“ – von den Musikern verkörpert. Bei der Darstellung der Kinder durch Instrumente mögen die Peanuts Pate gestanden haben, wo das Sprechen der Erwachsenen immer durch gedämpfte Blechbläser imitiert wurde; die „Fabrik“ hingegen wird durch eine lärmendes, aus dem Konservendosenblech geschaffenen Schlagzeug repräsentiert.

Ulla Theißen zeichnet die verschiedenen Figuren mit all ihren Stärken und Schwächen sehr liebevoll. Ihre Inszenierung zeichnet sich zudem durch das richtige Timing aus. Bei allem Tempo gibt es immer wieder ruhige Momente, in denen die Beziehungen der Figuren, insbesondre zwischen Konrad und Berta, und ihre Gefühle zueinander in den Mittelpunkt rücken. „Du bist meine Mutter. Du bist eine gute Mutter“, sagt Konrad und unterstreicht damit, dass diese beiden unterschiedlichen Figuren unverrückbar zueinander gehören. An dieser Stelle gewinnt das Stück sogar an gesellschaftspolitischer Relevanz: mit der totalitären Zeichnung der „Fabrik“ und dem zivilen Ungehorsam, den Berta Bartolotti, Konrad, Kitti und sogar der etwas spießige Egon dagegen setzen.

Helge Salnikau schlüpft glaubwürdig in die Rolle Konrads. Man nimmt dem erwachsenen Schauspieler den siebenjährigen Jungen jederzeit ab. Schrill und bunt, aber keineswegs überdreht gestaltet Denise Seyhan die Rolle der Berta Bartolotti. Patrick Ruyters gelingt es problemlos, sowohl den etwas steifen Egon als auch Kittis Mutter darzustellen. Auch Linda Hergarten ist doppelt besetzt: als Lehrerin und vor allem als Kitti, der sie eine ordentliche Portion kindliche Frechheit verleiht.

Die Musiker unter der Leitung von Askan Geisler spielen komplett auf der Bühne und haben, wie bereits erwähnt, auch darstellerische Einsätze. Dabei zeigt vor allem Schlagzeuger Pavel Bialiayeu in der Rolle der „Fabrik“-Mitarbeiter höchst virtuosen Einsatz.

Das Publikum, egal ob groß oder Klein, hat viel Spaß an Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse. Dabei besteht die Kinderoper die wichtigste Probe: Kinder verbergen nicht, wenn sie sich langweilen. Dass es auf den Sitzen wenig bis gar keine Unruhe gibt, ist ein gutes Zeichen. Ensemble, Musiker und Regieteam erhalten nach einer Stunde Spielzeit viel Applaus. Zu Recht: Schwer vorstellbar, dass man eine Kinderoper besser machen kann als diese.

Sascha Ruczinski

Fotos: Pedro Malinowski