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Fakten zur Aufführung 

L'ITALIANA IN ALGERI
(Gioacchino Rossini)
28. September 2013
(Premiere)

Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen


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Beim König von Taka-Tuka-Land

1813 war nicht nur das Jahr, in dem Richard Wagner und Giuseppe Verdi geboren wurden. Auch die Oper L’Italiana in Algeri feiert heuer ihren 200. Geburtstag. Fünf Monate nach Il barbiere di Sevilla hebt das Musiktheater im Revier – diesmal in Kooperation mit der Opéra national de Lorraine und der Opéra Théatre de Metz Métropole – ein zweites Werk Gioacchino Rossinis auf die Bühne. Erneut ist das Ergebnis äußerst unbefriedigend.

Das Sujet der Oper erinnert an Mozarts Entführung aus dem Serail. Allerdings ist es hier mit Isabella eine Frau, die ihren Geliebten, Lindoro, aus orientalischer Gefangenschaft befreit. Die humanistische Botschaft aus Mozarts Singspiel findet keinen Widerhall. Stattdessen verlagert sich der inhaltliche Schwerpunkt mehr auf den Kampf der Geschlechter, vor allem zwischen dem aufgeblasenen Mustafa und Isabella. Ein Ansatzpunkt für eine feministische Deutung des Stücks?

Regisseur David Hermann steht danach nicht der Sinn. Stattdessen verlagern Hermann und sein Bühnenbildner Rifail Ajdarpasic die Handlung von Algier in den Dschungel, wo ein bruchgelandetes Flugzeug dem Mustafa als Festung dient. Dieser herrscht über ein vom Chor dargestelltes indigenes Volk; die Masken verweisen auf Papua-Neuguinea. Der Orientalismus der Oper wird in der Inszenierung also nicht überwunden, sondern nur in einen „exotischeren“ Ort verschoben. Dort wird eine Oberfläche für allerlei Klamauk geschaffen, der nicht nur platt und streckenweise langweilig ist, sondern in seinen schlimmsten Momenten in postkolonialistischen Chauvinismus abgleitet: Haly, der Diener des Mustafa, bewegt sich oft wie ein Menschenaffe über die Bühne. Zudem trachtet er Taddeo in kannibalistischer Absicht nach dem Leben. Das ist nicht lustig, sondern enthält in seinem Kern einen rassistischen Anstrich. Dazu passt, dass Mustafa, der Herrscher in diesem Reich, beinahe frei von exotischen Zutaten ist: Er ist der weiße König von Taka-Tuka-Land.

Das Ensemble zeigt sich gesangstechnisch stark, temporeiche Passagen werden mühelos bewältigt. Allerdings geht das zu Lasten des Ausdrucks. Weder Carola Guber als Isabella noch Krzysztof Borysiewicz als Mustafa ragen hier besonders heraus. Das bleibt allein Hongjae Lim als Lindoro vorbehalten, der – neben Alfia Kamalova als Elvira – als einziger durchsetzungsstark genug ist, um sich nicht vom Orchester übertönen zu lassen.

Erfreulich, dass sich die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Valtteri Rauhalammi im Vergleich zu Il barbiere di Sevilla spürbar steigert. Bereits während der Ouvertüre weiß das Orchester durch einen differenzierten Klang zu gefallen. Auch der von Christian Jeub einstudierte Chor überzeugt.

Das Publikum nimmt das Stück mit bravem Applaus an, aber ohne jede Spur von Enthusiasmus. Einen bleibenden Eindruck wird diese Rossini-Inszenierung nicht hinterlassen.

Sascha Ruczinski

Fotos: Pedro Malinowski