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Fakten zur Aufführung 

DIE HEXEN VON EASTWICK
(Dana P. Rowe)
9. Juni 2012
(Deutsche Uraufführung)

Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen

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Ohne Pech und Schwefel

Durch das ovale Blau des Himmels im Hintergrund der Bühne ziehen flauschige Wolken, ein Cartoon-Vogel quält sich krächzend mit lahmem Flügelschlag vorbei, die putzig-niedlichen Ein-Familien-Häuser aus Eastwick, Rhode Island, könnten auch in Kentucky, Westvirginia oder in Colorado stehen. Weiße Zäune begrenzen den Vorgarten der Häuschenbesitzer wie deren Horizont in einem Leben, das unter den strengen Augen eines Pfarrers abläuft, täglich und jährlich nach immer dem gleichen Muster – Leben wie im bible belt.

Dass in einer solch reizarmen Umwelt bei frustrierten, noch dazu allein lebenden Damen Tagträume immer mehr die Wirklichkeit ersetzen und sie sich einen, nein „ihren“ Traummann zusammen phantasieren, kann nicht überraschen. Aber, so Updike:„Ruchlose Methoden führen zu anfälligen Resultaten“. Trotzdem überrascht das Ergebnis: Mit einer Mischung aus Hell's-Angel-Rocker und dem älteren Elvis will Regisseur Gil Mehmet Damen und Zuschauer mit diesem Kunstsammler und „Traummann“ trösten, den der Musical-erfahrene Kristian Vetter gibt. Stimmlich für die Musicalsongs bestens gerüstet, bleibt seine Figur farblos. „Ach, und noch was“, sagt Jane Smart,  eine der Hexen bei Updike, er soll eine besondere erotische Ausstrahlung haben… Mit Anke Sieloff als Journalistin, Stefanie Dietrich als Bildhauerin und Jeanette Claßen als zunächst zickig-sterile Musiklehrerin sind die drei Hauptrollen bestens besetzt. Darstellerisch und stimmlich zeichnen die drei ein sehr freundliches, ja, naives Bild dieser Hexen einer amerikanischen Kleinstadt, denen jegliches Hinterhältig-Hexerische, Geheimnisvolle, gar Verschwörerische fehlt. Ihre gelegentlich abfälligen Bemerkungen  über ihre lieben Mitbürger verraten nichts von der gesellschaftlich-satirischen Analyse, die Updike in seiner Romanfassung diesen Hexen zugeschrieben hat. Gil Mehmet scheint sich mehr an dem Bild der desperate housewives der amerikanischen TV-Soapserie als an den Figuren Updikes orientiert zu haben - was den Spielwitz der Inszenierung keineswegs fördert.

Einzige Ausnahme unter den im übrigen weich gespülten Figuren ist die Bürgermeisterin Felicia Gabriel, der Gudrun Schade ein zickig-schrilles Auftreten gibt, dem zumindest eine gewisse Selbstironie innewohnt. Ihre ordnenden und strafenden Auftritte sind, so überzogen sie gespielt werden, so glaubwürdig, dass sie im Kontext dieser Kleinbürgerlichkeit durchaus authentisch wirken. Ihrem Ehemann Clyde Gabriel gibt Joachim G. Maaß im braun-beigefarbenen Outfit ein Bild, dem man kaum einen Hexenflirt zutraut.

Darstellerische Lichtblicke sind die Folkwang-Studenten Anna Preckeler als Tochter von Felicia und Julian Culemann als Sohn der Hexe Alexandra, denen noch am ehesten musicalreife Gesangspartien gelingen.  Die Rolle des im weißen Engeloutfit durch die Aufführung geisternden „kleinen Mädchens“ bleibt bis zum Schluss unklar. Ist sie das unschuldig-unbefleckte Gewissen von Eastwick oder die sprichwörtliche Unschuld vom Lande respektive der Plains?

Die Choreografie des Chores von Kati Farkas verlangt Darstellern und Studenten der Folkwang Universität der Künste einiges ab, noch springt der zündende Funke eines Musicalballetts nicht  über.

Dies gilt auch für die facettenreiche Musik von Dana P. Rowe, der Elemente aus Filmmusik, Musical und Jazz zu einem Cocktail mischt, dem man selten mit Wohlbehagen nachschmeckt. Jedenfalls gelingt es der Band unter Jürgen Grimm kaum, aus den Vorlagen eine mitreißende Musicalstimmung zu zaubern. Da hat es Gerrit Jurda leichter. Er darf für Blitz und Donner und die putzigen Projektionen in seine elektronische Trickkiste greifen und das Geschehen effektvoll beleuchten.

Das Publikum, altersmäßig bunt gemischt, bedankt sich mit reichlich Applaus, besonders jüngere Besucher fühlen sich gut unterhalten. Wer allerdings auf geheimnisvolle Hexen, auf ihre Doppelbödigkeit, auf Pech und Schwefel in modernem Gewand gewartet hat, muss  mit Bühnennebel aus dem Hexen-Jacuzzi zufrieden sein und geht enttäuscht nach Hause.

Horst Dichanz

 



Fotos: Pedro Malinowski