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Fakten zur Aufführung 

DON QUICHOTTE
(Jules Massenet)
7. Dezember 2013
(Premiere)

Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Bühne

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Liebe am Ende des Lebens

Miguel de Cervantes’ Roman Don Quijote von der Mancha zählt zweifelsohne zu den berühmtesten Werken der Weltliteratur. Weniger bekannt dürfte sein, dass ein gewisser Jacques le Lorraine den Stoff 1904 für das Theater – allerdings sehr frei – adaptierte. Dieses Theaterstück, nicht Cervantes’ Roman, diente Jules Massenet und dessen Librettisten Henri Cain als Vorlage für die Oper Don Quichotte. Der Ritter von der traurigen Gestalt verliebt sich hier auf seine alten Tage in Dulcinée, bei Cervantes Dulcinea, und beschafft ihr ein verloren gegangenes Collier. Einen Heiratsantrag Don Quichottes lehnt sie ab, verteidigt den alten Narr allerdings vor der Menge, die ihn auslacht. Im Beisein seines Knappen Sancho Pansa stirbt Don Quichotte schließlich.

Regisseurin Elisabeth Stöppler verlegt die Handlung in die bürgerliche Gesellschaft. Sie nimmt die Liebe des alten Mannes zu der viel jüngeren Frau ernst, zeigt dabei unprätentiös deren Sinnlosigkeit. Leider plätschern die ersten beiden Akte etwas zäh daher. Erst mit dem dritten Akt macht sich die Formensprache der Regisseurin bemerkbar, konfrontiert Stöppler Don Quichotte durch starke Bilder von symbolischer Kraft mit dessen baldigem Tod. Das ist der eigentliche Kampf des Titelhelden gegen die Windmühlen: das aussichtslose Auflehnen gegen die Unvermeidbarkeit des eigenen Sterbens. Und so gelingt vor allem der fünfte Akt, Don Quichottes Sterbeszene, außerordentlich eindrucksvoll, findet Stöppler hier die nötige Sensibilität, um dem alten Narren seine Würde zu geben. Gleichwohl mangelt es der Inszenierung bei allem Ernst nicht an Komik und an surrealer Fantasie. Beispielhaft wie Don Quichotte, dieses verhinderte Idol, im vierten Akt zwischen lauter Ikonen des 20. Jahrhunderts wandelt: von Superman über Elvis Presley bis Che Guevara.

Egal ob echter oder eingebildeter Ritter – Don Quichotte mit Rüstung, Lanze und hoch zu Ross sucht man vergeblich. Sancho Pansa hat seinen Grauen längst gegen einen Drahtesel eingetauscht. Die von Piero Vinciguerra geschaffene Drehbühne lässt die bürgerliche Wohnung Don Quichottes allerdings wie eine Burg erscheinen, hinter der sich der verhinderte Held vor der Wirklichkeit verschanzt.

Krzysztof Borysiewicz gestaltet die Rolle Don Quichottes äußerst vielseitig. Ob die naive Einfalt des eingebildeten Ritters, die Liebe zu der viel jüngeren Frau oder das Sterben des alten Mannes – die Verkörperung der unterschiedlichen Seiten gelingt Borysiewicz, der seinen Bass vorwiegend sanft über die Bühne schweben lässt, fließend. Joachim Gabriel Maaß verleiht Sancho Pansa einen facettenreicheren Charakter, als der etwas tölpelhafte Diener bei Cervantes besitzt. Damit wird Sancho das, was Don Quichotte am nötigsten braucht, ein echter Freund. Almuth Herbst verwandelt sich als Dulcinée spielerisch von der einfachen Putzhilfe zur heißbegehrten Traumfrau. Zudem wissen Maaß und Herbst gesanglich zu überzeugen, präsentieren ihre Figuren mit viel Tiefe. Auch die Nebenpartien sind exzellent besetzt.

Unter der Leitung von Valtteri Rauhalammi spielt die Neue Philharmonie Westfalen Massenets Musik mit einer schön ausgestalteten Dynamik. Dabei spielt sich das Orchester nie in den Vordergrund, sondern bietet den Sängern mit warmen Klängen das musikalische Fundament. Auch der von Christian Jeub einstudierte Chor weiß erneut zu überzeugen.

Das Publikum feiert Sänger, Orchester und Regieteam, wenngleich der Applaus etwas gebremster ausfällt im Vergleich zu den bisherigen vier Regiearbeiten Elisabeth Stöpplers am MiR. Nur ein, zwei Buh-Rufe mischen sich dazwischen. Don Quichotte ist kein großer Wurf, im Gesamtergebnis aber gelungen.

Sascha Ruczinski

Fotos: Pedro Malinowski