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Fakten zur Aufführung 

DIE COMEDIAN HARMONISTS - MUSIKALISCHES SCHAUSPIEL
(Franz Wittenbrink)
13. Januar 2012
(Premiere)

Musiktheater im Revier, Kleines Haus


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Mehr als Kino

Die Sorge, während der Premiere der Comedian Harmonists im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen die Bilder und schmissigen Songs aus Vilsmaiers gelungenem Film von 1997 im Kopf zu haben, verfliegt schnell. Bald gilt die volle Aufmerksamkeit der Fassung, wie sie hier auf die Bühne kommt: Eigenständig, authentisch, flott in Musik und Spiel, unterhaltend, auch selbstbewusst, und reichlich versorgt mit Ohrwürmern.

Für ihre Inszenierung nutzt Sandra Wissmann die Vorlage von Franz Wittenbrink und dem Texter Gottfried Greiffenhagen von 1997. In dieser Fassung ist die Geschichte  der legendären Gesangsgruppe in der Komödie Am Kurfürstendamm, Berlin, zum Durchbruch gekommen. Wissmann bringt die Geschichte dieses a-capella-Ensembles ohne viel Schnörkel, aber authentisch und mit Witz auf die Bühne. Askan Geisler hat das Ensemble gesanglich bestens vorbereitet und sorgt selbst am Klavier für den Schwung und Klang der Varietémusik der späten zwanziger Jahre.

Der klingende, swingende Kern der Aufführung, das Herz, sind natürlich die fünf Sänger. Die Stimmen des Quintetts passen hervorragend zueinander. Sie füllen den Klangraum vom spitzen, aber klangvollen Tenor Markus Weigels über nuancenreiche Mittellagen von Markus Schneider, Michael Dahmen und Piotr Prochera bis zum voluminösen Bass Ralf Riehls und präsentieren so den typischen Harmonists-Sound, der die Gruppe über ihre Zeit hinaus unverwechselbar gemacht hat. Die Songs sind bestens bekannt, bei Veronika, der Lenz ist da, der schönen Isabella von Kastilien oder  Ein kleiner grüner Kaktus zuckt es manchem Zuschauer in den Beinen.

In der schlanken Inszenierung reichen zeitgeschichtliche Spotlights, um den historischen Hintergrund knapp zu skizzieren. Dies ist nützlich und gelingt bestens. So genügen die Wechsel der Plakate auf einer Plakatwand, um treffend und ohne Aufwand wechselnde Zeitfenster zu öffnen. Beeindruckend die Idee, ein neues, neben dem NSDAP-Plakat angeheftetes Harmonists-Plakat später von einem SA-Mitglied mit rotem Davidstern übermalen zu lassen – der Wechsel der Kulturpolitik ist prägnant und unmissverständlich beschrieben. Die Ausstattung von Britta Tönne ist eher zurückhaltend, die von Andreas Meyer entworfenen Kostüme zeitnah gehalten, aber in Einzelheiten effektvoll. Ob große Bilderrahmen das Ensemble einrahmen, die Regina-Bar durch einen Kronleuchter angedeutet wird oder ein Bürokrat als Vertreter der Reichsmusikkammer auftritt, meist reichen kurze Szenen, um den Hintergrund zu skizzieren. Lediglich die weißen Fracks und Zylinder liefern dann einen optischen Knalleffekt, der die Zeit der glücksuchenden Varietés blendend markiert.

Mit viel Nuancen und großer Spiellust gibt Lutz Reichert einen  flexiblen Conferencier. Er besorgt als kleiner Vorstadtimpresario den Harmonists ihren ersten Vertrag oder sichert sich als SA-Mann erst einmal ein Autogramm der neuen Varietésterne, die Figuren haben Authentizität und Witz.

Für diesen unterhaltsamen, mit viel Schwung und Spiellust erlebten Abend bedankt sich das Premierenpublikum mit nicht endendem Beifall. Erst nach zwei Zugaben und dem unvermeidlichen  Auf Wiedersehen… fällt dann auch für die Harmonists im Musiktheater im Revier der Vorhang.

Horst Dichanz

 



Fotos: Pedro Malinowski