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Fakten zur Aufführung 

UBU REX
(Krzysztof Penderecki)
7. Februar 2014
(Premiere am 27. September 2013)

Opera Bałtycka


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Hintergründige Groteske

Letztes Jahr feierte der große polnische Komponist Krzysztof Penderecki seinen 80. Geburtstag. Zu den vielen Ehrungen in seiner Heimat gehört die neue Produktion seiner bislang letzten Oper Ubu Rex, die 1991in München uraufgeführt wurde. In Deutschland ist das Werk seitdem nicht mehr gespielt worden, in Polen dagegen mehrmals, darunter in einer spektakulären Inszenierung durch Krzysztof Warlikowski 2003 in Warschau. In der in Gdansk beheimateten Opera Bałtycka hat sich mit Janusz Wiśniewski ein weiterer polnischer Regiestar der Oper angenommen. Die Aufführung ist eine der Attraktionen des Hauses, das sich mit einem ausgewogenen Spielplan aus Kernrepertoire, Ausgefallenem, wie die Kombination von Schostakovichs Spieler mit Fleischmanns Rothschilds Geige und Modernem, wie die Uraufführung von Elżbieta Sikoras Madame Curie, um Internationalität bemüht. Mit beachtlichem Einsatz, obwohl es mit einem geringeren Budget auskommen muss als vergleichbare Theater in Wroclaw oder Poznan, was sich in der geringeren Anzahl von Vorstellungen widerspiegelt. Der Qualität aber, das beweist zumindest die Aufführung von Ubu Rex, tun die engen finanziellen Bedingungen keinen Abbruch. Noch mehr: es zeugt von einer erheblichen Leistungsfähigkeit des Hauses, Pendereckis personalreiches Werk auf hohem Niveau spielen zu können.

Die auf Alfred Jarrys groteskem Theaterstück basierende Opera buffa handelt von eben jenem Ubu, der durch Mord an der polnischen Königsfamilie auf den Thron gelangt und dort zusammen mit seiner machthungrigen Frau als blutrünstiger Diktator herrscht, bis er durch den Einfall russischer Truppen entmachtet wird und sich nach Frankreich absetzt. Das Stück steckt voller Absurditäten. Es durchmisst Zeiten und Orte im Geschwindmarsch – denkbar wäre ein Riesenaufwand für die häufig wechselnden Schauplätze und Figuren, wie in Warlikowskis extravaganter, bewegungsintensiver Warschauer Interpretation. Janusz Wiśniewski wählt einen anderen Weg und macht in seiner Inszenierung von szenischem Überfluss keinen Gebrauch. Der Regisseur, der zusammen mit Hanna Szymczak auch für die Ausstattung und die Kostüme verantwortlich ist, verkleinert die große Bühne, so dass nur ein schwarz ausgeschlagener Guckkasten übrig bleibt. Hier, auf engem Raum, lässt er eine Art böses Welttheater ablaufen. Um das zentrale Paar Ubu herum treten eine Reihe von markant herausgeputzten, puppenhaft geschminkten Geschöpfen auf, eine Ansammlung von grandios überzeichneten Typen. Sie erscheinen in statuarischen Formationen, bilden Gruppen oder ballen sich zu Fratzenhaufen zusammen. Nur gelegentlich schälen sich einzelne Personen aus der Menge heraus, lockern tänzerische Aktionen, von Emil Wesołowski choreografiert, das Geschehen auf. Daraus ergeben sich viele suggestive Tableaus, allerdings unter Verzicht von individuellen Charakterentwicklungen.

Ubu Rex ist eine Ensembleoper mit zwei Hauptrollen. Jacek Laszczkowski, stimmlich ausgeruhter als kürzlich in Poznan bei Weinbergs Porträt, stattet die Titelpartie mit einem durchschlagskräftigen, strapazierfähigen Charaktertenor und intensivem Ausdruck aus. Ganz hervorragend präsentiert sich mit sattem Mezzosopran Karolina Sikora als Mutter Ubu. Mit spielerischer Leichtigkeit meistert sie die koloraturgespickte Partie, keine Mühe machen ihr die extremen Höhen. Mit den Bässen Daniel Borowski, vor kurzem noch an der Berliner Staatsoper engagiert, Ryszard Morka und Piotr Nowacki sind gleich drei fabelhafte Vertreter des tiefen Stimmfachs aufgeboten. Unter den vielen Solisten der kleinen und kleinsten Partien gibt es keine Schwachstelle. Bemerkenswert homogen und präzise laufen die zahlreichen Ensembles in Rossinischer Manier wie am Schnürchen ab. Was auch an der Probenarbeit des Dirigenten Wojciech Michniewski liegen dürfte.

Wobei es nicht nur von der Bühne so frisch, rhythmisch scharf, funkelnd und prickelnd klingt, sondern auch aus dem Orchestergraben. Mit seinem vitalen, unbekümmerten Zugriff macht sich Michniewski damit zum verdienten Anwalt von Pendereckis unterhaltsamer Partitur, die ob ihrer angeblichen Rückwärtsgewandtheit und der ausgiebigen Stilzitate viel Schelte seitens der Kritik erhielt.

Bei der zweiten Vorstellungsserie nach der Premiere ist das Haus gut gefüllt, und es gibt anerkennenden Beifall. Nächstes Jahr kann sich das deutsche Publikum bei den Musikfestspielen Saar von der Qualität der Aufführung ein eigenes Bild machen. Dorthin nämlich ist die Opera Bałtycka mit Ubu Rex eingeladen worden.

Karin Coper

Fotos: Sebastian Cwikla