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Fakten zur Aufführung 

CUPIDO KLASSIKO
(Carola Gebhart)
29. Oktober 2013
(Benefizgala)

Stadttheater Fürth


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Von der Oper zum Klamauk

Seit vielen Jahren sammelt die Sopranistin Carola Gebhart Gelder für hilfsbedürftige Kinder in der Region ein. Dabei kommen regelmäßig fünfstellige Summen zusammen, die an die verschiedensten Projekte und Einrichtungen in Fürth und Umgebung verteilt werden. Als Dankeschön organisiert die Sängerin einmal im Jahr eine Benefizgala, die sie nach ihrem Verein Cupido Klassiko benennt. Anders als bei den zahlreichen anderen so genannten Benefizgalas geht es bei Gebharts Veranstaltung nicht mehr darum, Spenden an einem Abend einzusammeln, sondern Sponsoren, spendenfreudigen Bürgerinnen und Bürgern und anderen Unterstützern für ihr Engagement zu danken. Ein festlicher Rahmen soll es sein. Und das Publikum soll sich amüsieren. Da kommt es nicht so sehr auf die künstlerische Ausführung als vielmehr darauf an, Besucherinnen und Besucher zu begeistern. Und das gelingt bekanntlich am ehesten, wenn das Publikum spürt, mit wie viel Liebe und Engagement der Abend inszeniert wird.

Das Stadttheater Fürth, ein Neurokoko-Bau im Zentrum der Stadt, hat sich herausgeputzt; die Honoratioren der Stadt haben sich unter die Gäste des nahezu ausverkauften Hauses gemischt. Auf der Bühne nehmen die 35 Musiker der Frankfurter Sinfoniker Platz, um das Programm „Carola Gebhart und Freunde aus aller Welt“ zu begleiten. Im Untertitel ist die Tonalität vorgegeben: „Oper bis Musical“ erwartet das Publikum, das sich an der festlichen Stimmung nicht stört. Da wird fleißig geflüstert und kommentiert; und das auf der Bühne jemand Arien singt, hält das Personal beileibe nicht davon ab, verspätete Gäste einzulassen. Es geht also recht munter zu im Saal, während auf der Bühne Dirigent Stefan Ottersbach für einen fulminanten Auftakt sorgt. Mit viel Verve geht es in die Ouvertüre des Barbiers von Sevilla. Es wird mehr ein swinging barber als eine Reminiszenz an Rossini. Auch Gebhart ist bei ihrer Eröffnungsarie Quando me’n vo aus La Bohème das Lampenfieber noch ein wenig anzumerken. Schließlich wird sie zum ersten Mal die Moderation des Abends selbst vornehmen. Und sie startet sehr souverän, gilt es doch, sieben Kolleginnen und Kollegen aus sieben Ländern anzukündigen. Da liegt es für die Sängerin nahe, sich Gedanken darüber zu machen, in welcher Sprache sie moderieren solle. Auf Fränkisch, natürlich. So kündigt sie den Texaner Douglas Yates, wohnhaft in Fürth, an, der mit einem hellgefärbten Bariton und viel Schmelz das Lied an den Abendstern aus Tannhäuser präsentiert. Rasch geht es weiter zu einem der künstlerischen Höhepunkte des Abends. Una voce poco fa, Schlager aus dem Barbier von Sevilla, singt Mezzosopranistin Valentina Katzarova sehr ausgefeilt und in einem Höchstmaß an Verständlichkeit. Der Opernfan genießt, im Publikum gärt Unmut. Schließlich trifft es die Gäste unvorbereitet, ein Programm gibt es ebenso wenig wie Übertitel. Das macht es für den Ungeübten schwer. „Ach, schon wieder Italienisch“, zischt es in den Reihen. Und die Italianità nimmt kein Ende. Der Jungtenor Joel Annmo bietet die verstohlene Träne – Una furtiva lagrima – des Nemorino in L’elisir d’amore dar, Klassiker jeder Gala. Milagros Poblador zeigt dem Publikum dann mal, was Höhe im Gesang bedeutet, als sie, wenn auch sauber, Caro nome aus Rigoletto in höchste Höhen treibt, ohne Rücksicht auf die Verständlichkeit zu nehmen. Anton Saris gilt, sagt Gebhart, als Star der niederländischen Bühne, was er in der Gralserzählung aus Lohengrin andeutet. Mehr als eine Andeutung ist in der Akustik des Theatersaals vermutlich auch kaum machbar. Nach dem Duett Prendero quell brunettino von Katzarova und Poblador, mit dem sie einen Ausflug zu Mozarts Così fan tutte unternehmen, feiern Annmo und Yates den zweiten künstlerischen Höhepunkt des Abends mit Au fond du temple. Ausgerechnet das Duett der selten gespielten Perlenfischer von Bizet entzückt auch die opernunkundigen Gäste des Abends. So kann es gehen bei der Blindverkostung.

Damit hat es nach der Pause ein Ende. Schmissig geht es mit der Ouvertüre der Wiener Frauen von Franz Lehár bei Ottersbach und seinen Sinfonikern weiter. Wunderbar setzt Saris mit Dein ist mein ganzes Herz im Land des Lächelns noch einen drauf. Aus künstlerischer Sicht ist der Abend damit weitestgehend beendet. Nach langen Dankesreden und Schecküberreichungen, die wohl in einem Empfang der Sponsoren vor der Gala besser aufgehoben wären, präsentiert Carola Gebhart zum ersten Mal ihr selbstkomponiertes Lied Mein Kind. Anschließend zeigen die Frankfurter Sinfoniker mit Gonna fly now, Musik aus dem Film Rocky, dass sie auch was anderes als Oper können. Die Chansonette Adrienne Cathrine Haan singt seidenweich in der zweiten Hälfte Sous le ciel de Paris, Amsterdam und Milord. Sie wechselt sich mit dem „Gesangskünstler“ Darren Williams ab, der über eine „Fünf-Oktaven-Stimme“ und allerlei andere Fähigkeiten verfügt. Da bekommen die Gäste bei entblößtem Oberkörper die Zuckungen der Brustmuskulatur ebenso zu sehen wie sie, dankenswerterweise mit bedecktem Hintern, die Zuckungen der einzelnen Pohälften unter hautengem Leder anschauen können. Die Chippendales lassen grüßen. Dazu gibt es ein enttäuschendes New York, New York. Wer covert, muss es können. Anschließend erweckt ein Elvis-Medley die Älteren zum Leben. Der Saal ist entfesselt. Da wird altersentsprechend arrhythmisch geklatscht, gejohlt und Bravo gerufen. Solchen Enthusiasmus erlebt man selten. In der vorgesehenen Zugabe gibt es das Trinklied der Traviata, in dem Williams noch einmal mit Falsett-Stimme für enorme Heiterkeit sorgt.

Carola Gebhart hat ein Ziel. Sie möchte, dass sich die Besucher dieses Abends prächtig amüsieren. Und die zahlreichen „Zugabe“-Rufe, tosender Applaus und das Wissen, mindestens am nächsten Tag talk of the town zu sein, beweisen: Nicht der künstlerische Anspruch, sondern das Ziel zählt. Und damit hat Cupido Klassiko auf ganzer Linie gewonnen.

Michael S. Zerban

Fotos: Setia Nugraha