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Fakten zur Aufführung 

VANESSA
(Samuel Barber)
2. September 2012
(Premiere)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

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Die Kälte kriecht mitten ins Herz

Eisig ist die Umwelt. Das herrschaftliche Palais wird von außen bedroht, denn Eisblöcke dringen in die halb geöffnete Architektur hinein, mit der Julia Müer die Oper Vanessa von Samuel Barber nach dem Libretto seines Lebensgefährten Gian Carlo Menotti bebildert. Naturalismus und Symbolismus durchdringen sich, denn der lähmenden Kälte entspricht der Panzer, der sich um die Seelen der Protagonisten legt. Die alte Baroness sitzt, überwiegend stumm, seitlich an ihrem Sekretär und starrt auf irgendwelche Papiere. Helena Döse gibt ihr die Züge einer herrischen Seniorchefin, die durch Nicht-Kommunikation straft und allein über ihre Anwesenheit Lebendigkeit erstickt.

Daran muss ihre Tochter Vanessa leiden. Die wartet wohl an die zwanzig Jahr’ auf den einen Mann, dem sie sich anvertraut fühlt. Irgendwann wird er angekündigt, doch der Ankömmling Anatol ist nicht der Erträumte, sondern dessen Sohn. Die Obsession indes ist letztlich so stark, dass Vanessa dem Wahn von Liebe und Glück erliegt. Aber Vanessas Nichte Erika, jung und unbedarft, wirft in der einzigen Liebesnacht ihr Herz dem Anatol hinterher, und die Katastrophe ist vorprogrammiert. Denn während des Verlobungsballs von Vanessa spürt Erika das keimende Leben in sich und sucht verzweifelt den Tod in der Eiseskälte. Sie überlebt, verliert das Kind und wird die Erstarrung ihrer Tante Vanessa nachleben, die mit dem leichtherzigen Anatol nach Paris entfleucht.

Klingt wie eine Klamotte, ist es aber nicht, weil Regisseurin Katharina Thoma daraus ein bedrückendes Kammerspiel macht, dessen Intensität immer wieder Assoziationen ans wahre Leben erweckt. Das besteht aus Lug und Selbstbetrug, aus Traum und Illusion, aus autistischer Wahrnehmung und schmerzlicher Erfahrung. Das macht die Oper, 1958/65 an der Met uraufgeführt, trotz ihrer streckenweise allzu vordergründigen musikalischen Illustrierung wertig.

Die Oper Frankfurt eröffnet mit dieser Produktion aus Malmö die neue Saison. Die Darsteller-Sänger lassen keine Wünsche übrig: Charlotta Larsson schwingt ihren Sopran durch alle inneren Wechselspiele dieser Vanessa, während Jenny Carlstedt mit variabel aufglühendem Mezzo jener Erika hinreißende Züge einer gebrochenen Existenz verleiht. Kurt Streit zeigt den Anatol als Verführer wider Willen, denn er scheint eher versehentlich ins Mahlwerk konkurrierender Herzen zu geraten. Sein Tenor hat Glanz und Samt. Dietrich Volle gelingt als altem Doktor eine baritonale Charakterstudie, die Trinker-Komödiantik mit einschließt, und Björn Bürger komplettiert das Ensemble als junger Lakai, der spürbar von Erikas Gunst träumt.

Jonathan Darlington am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters schöpft die effektvolle Partitur mit Hingabe für Farben und Pointen aus, kann aber eklektizistische Schwächen dieser Musik nicht verdecken; der von Michael Clark einstudierte Chor fügt sich passgenau ins Getriebe ein.

Das Publikum geht auf das bedrückende Spiel um Leidenschaft und deren fatale Konsequenzen mit heftigem Beifall ein.

Eckhard Britsch

Fotos: Barbara Aumüller