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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
30. Oktober 2011
(Premiere)

Oper Frankfurt


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Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Das Wagner-Fieber grassiert im Rhein-Main-Gebiet. Nicht weniger als vier Ring-Produktionen stehen dem Opernfreund ins Haus. In Darmstadt hat John Dew gerade mit einer sehr schönen Götterdämmerung abgeschlossen, in Mannheim Achim Freyer soeben mit einem surrealen, völlig aus dem Ruder des Üblichen laufenden Rheingold begonnen. In Ludwigshafen bereitet Hansgünther Heyme seinen Siegfried vor, der in der Sicht von Vera Nemirova gerade an der Oper Frankfurt Premiere hatte. Es wird spannend werden, was die Häuser denn für das Jubeljahr 2013 - Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren – noch im Köcher haben, um gegen Bayreuth, das dann seinen neuen Ring zeigt, anzugehen. Denn der Anspruch ist überall hoch. So hat Mannheims Generalintendantin Regula Gerber den Freyer-Ring schon vor der ersten Rheingold-Vorstellung als Ereignis gepriesen, mit dem Theatergeschichte geschrieben werde.

Ganz so kühn ist man in Frankfurt nicht, hier aber sind die Künste von Vera Nemirova, ihrem kongenialen Bühnenbildner Jens Kilian und natürlich dem Opern- und Museumsorchester unter Sebastian Weigle zu bewundern. Denn der Siegfried ist außerordentlich gut gelungen, weil die Inszenierung auf Reduktion setzt und auf jeden Plunder verzichtet, um Auge und Ohr für die klare Bühnensprache zu öffnen. Zentraler Punkt ist das inzwischen als „Frankfurter Scheibe“ bekannt gewordene Tableau aus konzentrisch sich ineinander bewegenden Ringen, die auch in der Schräge gegeneinander verstellt werden können. Dadurch ergeben sich feine Laufwege, die den Figuren manchmal Größe des eigenständigen Handelns und dann wieder die Geringfügigkeit der dem Schicksal unterworfenen Menschen geben. Und die Interaktionen stehen im Fokus und werden dadurch dinglich erfahrbar.

Siegfried, ein naiver Kraftprotz, weiß nichts vom Leben, doch will er es erkunden. Mime hat ihn in der Waldeinsamkeit aufgezogen. In Frankfurt gibt es weder Laub noch Rinde, sondern Mimes Kochtöpfe klappern im Gewirr der Stützen im Untergrund einer dann schräg gestellten Bühne. Aber Siegfried will wie Hänschen hinaus in die weite Welt, um endlich das Fürchten zu lernen und um zu erfahren, wer seine Eltern sein könnten. Denn der mickrige, intrigante  Mime, der nicht einmal ein ordentliches Schwert schmiedet, taugt wohl nicht als Vater. Bärenfell-Trophäe und Wolfsfell-Mantel, Ingeborg Bernerth  fertigte die Kostüme, genügen Siegfrieds Tatendrang nicht. Lance Ryan, der die Partie unter anderem schon in Straßburg und Bayreuth sang, trumpft mit prächtigem Heldentenor auf. Glaubhaft auch sein Spiel vom Kerl, dem erst die erwachende Brünnhilde das Flattern beibringt. Susan Bullock gibt ihr dramatisches Sopran-Profil auf dem Weg zum Wolfsfell, wo die beiden „vereinigt“ brav nebeneinander in den Bühnenhimmel schauen. Ende der Vorstellung, und die einzige Szene, die ein wenig seltsam wirkt, auch wenn die Helden bei Wagner in aller Regel äußerst zögerlich auf die Frau an sich zugehen.

Gesungen wird generell auf hohem Niveau. Terje Stensvold gibt dem Wanderer  große Faktur mit gleichwohl rundem, warmem Timbre; Peter Marsh spielt und singt die Mime-Partie mit großer Intensität, während Jochen Schmeckenbecher einen schillernden Alberich-Charakter auslebt. Meredith Arwady ist eine dunkle Erda, und Magnús Baldvinsson ein stimmlich gut aufgelegter Fafner: Die Maske stattet ihn mit einer an die Körperwelten-Ausstellung gemahnenden Bemalung aus. Die Stimme des Waldvogels erhält von Robin Johannsen lyrisch grundierte Koloraturen, während der Tänzer Alan Barnes den Waldvogel choreographisch durchgestylt mit viel Charme und Ausdruck flattern lässt. Ein zauberhafter Kunstgriff.

Das „Opernorchester des Jahres“ präsentiert sich unter dem Dirigat von Sebastian Weigle in Hochform. Plastisch die hohe Klangkultur, prächtig das Brio, differenziert die Sängerführung. Der Frankfurter Siegfried lässt sich musikalisch und szenisch einfach genießen.   

Das Premierenpublikum feiert alle ohne Einschränkung und hat seinen Frieden mit der Regisseurin gemacht, die bei der Walküre noch einige Buhs aushalten musste.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Monika Rittershaus