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Fakten zur Aufführung 

THE RAKE'S PROGRESS
(Igor Strawinsky)
20. Mai 2012
(Premiere)

Oper Frankfurt

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Direkt in den Abgrund

Was ist es nun, was Igor Strawinsky 1951 zum Text von Auden und Kallman als Oper vorgelegt hat? Komödie, Drama, abgründige Farce oder gar eine opera seria im Rückgriff auf alte Form-Muster? Von allem ein bisschen, scheint die Devise an der Oper Frankfurt bei der Premiere von The Rake’s Progress. Und das ist in der Inszenierung von Axel Weidauer nicht der schlechteste Ansatz, denn das Drama löst sich auf in eine heitere, finale „Und die Moral von der Geschichte“-Sequenz, während bei den spöttischen, ja parodierenden Szenen immer wieder Bitterkeit durchschimmert. Denn gegenüber der Oper Frankfurt hat die Occupy-Bewegung ihr Zeltlager aufgeschlagen, und in der Strawinsky-Oper wird heftige Kapitalismusschelte geübt.

Denn der liebenswerte Tom, dem geregelte Arbeit ein Gräuel ist, wird vom unverhofften Erbe überfordert. In der Großstadt will er das Leben genießen und vor allem als erfinderischer Unternehmer glänzen. Er geht bankrott und reißt viele Kleinanleger mit in den Abgrund. Wenn dieser Plot nicht brandaktuell ist, welcher dann? Paul Appleby singt ihn mit weich ausmodelliertem Tenor so schön, dass ihm eigentlich niemand böse sein kann. Vor allem nicht die liebreizende Anne, die an die Liebe glaubt und diese retten will. Ein herzensgutes, sicherlich auch naives Fräulein, dessen Scheitern in mangelnder Lebenserfahrung begründet ist. Brenda Rae ist mit ihrem jugendlich-lyrischen Sopran stimmlich und figürlich die Idealbesetzung.

Doch warum erliegt Tom der Versuchung? Klar doch, der freundliche Verführer Nick Shadow, hinter dem sich der Satan maskiert, bringt ihn auf die schiefe Bahn. Der Bariton von Simon Bailey meidet mephistophelische Bosheit, denn die Regie gibt ihm durchaus freundschaftliche Züge. Irgendwie ein netter Kerl, der sich am Ende selbst ins Grab stürzt, weil er seinem Opfer Tom noch eine letzte Chance im Kartenspiel gibt. Der aber landet im Irrenhaus, wenn er sich im Wahn für Adonis hält.

In der Großstadt erliegt Tom dem Lotterleben und vor allem den exotischen Reizen einer Showgröße namens Baba the Turk, ausgezeichnet besetzt mit der Mezzosopranistin Paula Murrihy, für die einige Zaubertricks wie Jack in the Box reserviert sind. Dann haben wir noch Annes Vater, den Alfred Reiter mit sonorem Bass singt; Barbara Zechmeister ist eine aufgetakelte Bordellchefin Mother Goose; Peter Marsh singt den Auktionator Sellem, der die kruden Reste der missglückten Geschäftsgründung verscherbelt, und Vuyani Mlinde gibt den Krankenwärter in der Anstalt.

Die Bühne wird von Moritz Nitsche mit viel Lichterglanz und kargem, der Szene  angemessenem Mobiliar angerichtet; die Kostüme von Berit Mohr changieren zwischen schrill und bürgerlich. 

Der Klarheit der Story entspricht Strawinskys Musiksprache. Neoklassizistisch durchsetzt, in klaren Metren schreitend, in dankbarer Sängerdiktion ausgearbeitet. Das realisiert Constantinos Carydis am Pult des Frankfurter Museumsorchesters sehr schön und griffig. Der von Matthias Köhler einstudierte Chor ist indes schon zupackender zu erleben gewesen als in dieser Produktion.

Das Premierenpublikum gönnt seinen Lieblingen heftigen, aber zeitlich bemessenen Beifall.

Eckhard Britsch





Fotos: Monika Rittershaus