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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
4. Dezember 2011
(Premiere)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

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Kaputte Typen wie eh und je

Es ist ein Lehrstück in Personalführung. Fühlt sich einer in der Beförderungsliste übergangen, kann er ausrasten oder zum hinterhältigen Intriganten werden. Arrigo Boito hat in seinem Libretto zur Oper Otello von Giuseppe Verdi dieses Verhalten  thematisiert, und es scheint geradezu aktuell zu sein. Jago, der Bösewicht in diesem Stück, bleibt auf seiner Fähnrich-Stufe hängen, während der junge Bursche Cassio, ein Schnösel in Jagos Augen, vom siegreichen Kriegsherrn Otello zum Hauptmann befördert wurde. Doch jener Cassio hat nicht die innere Statur für den Job. Nach zwei Gläsern Wein fängt er an zu lallen und zu streiten. Später vernebelt die Degradierung seine Wahrnehmung. Rodrigo begehrt Desdemona und gönnt sie keinesfalls dem Aufsteiger Otello, was ihn zum willigen Werkzeug für Jagos Intrige macht.

Aber auch die anderen Figuren haben ihre Probleme. Otello kann zwar Kriege führen, aber den Kampf gegen seine vor unbegründeter Eifersucht zerrüttete Seele verliert er. Ludovico, Venedigs Gesandter  zur Revision auf Zypern, schaut einfach zu, wie Otello verrückt wird. Die einzigen halbwegs normalen Menschen in diesem dramma lirico sind Desdemona, die liebt und zu retten versucht, was nicht mehr zu retten ist, und Emilia, die sich aber gegenüber ihrem herrischen Gatten Jago nicht durchsetzen kann.

Typen, die auch in unserer heutigen Zeit anzutreffen sind und deshalb von Silke Willrett heutige Kostüme bekommen, stellt Johannes Erath in seiner Inszenierung am Frankfurter Opernhaus auf eine schräg zulaufende Bühne, die Dirk Becker wie ein Schiffsdeck mit leicht derangierten Dielenbrettern gebaut hat. Dass es ein Einheitsbild für alle vier Akte ist, wäre dann kein Schaden, wenn die Personenführung noch mehr an Interaktion einfordern würde. Klar, Desdemona, die von Elza van den Heever überragend mit leuchtender Stimmführung und Farben für alle Emotionen gesungen wird, versucht, den autistischen Panzer ihres Gatten Otello zu durchbrechen. Dennoch wirken die Szenen, so sehr sie berühren, etwas steif. Marco Vratogna gibt dem Jago schillernde Abgründigkeit und einen wirkungsmächtigen Charakterbariton, während der Otello von Carlo Ventre ebenso mit heldentenoralen Anlagen wie auch mit lyrischer Wärme gesegnet ist, gegen Ende allerdings leichte Brüchigkeit in der Gesangslinie zeigt. Claudia Mahnke überzeugt als Emilia mit sauberem Mezzo ebenso wie Teodor Ilincai als Cassio mit  lyrischem Timbre.  Simon Bode, der Edelmann Rodrigo, Thorsten Grümbel, der venezianische Gesandte, Franz Mayer, Ex-Gouverneur auf Zypern, und Kihwan Sim geben den kleineren Partien angemessenes Profil.

Musiziert wird unter Leitung von Sebastian Weigle ganz ausgezeichnet, denn das Frankfurter Opern- und Museumsorchester zeichnet  den dramatischen Gehalt dieser Oper zwischen harten, präzise gesetzten Explosionen und innigster Zartheit mit delikater Klanglichkeit und musikalischem Feuer nach. Die Chorszenen, Matthias Köhler zeichnet  für Chor- und Extrachor verantwortlich, Michael Clark für den Kinderchor, erfüllen alle Wünsche.

Das Premierenpublikum feiert die musikalische Umsetzung und ist gespalten in der Wertung der Inszenierung. Ein außerordentlich nahegehender Opernabend ist diese Neuinszenierung auf jeden Fall.

Eckhard Britsch

 

 









 
Fotos: Monika Rittershaus