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Fakten zur Aufführung 

LANDSCHAFT MIT ENTFERNTEN VERWANDTEN
(Heiner Goebbels)
2. Mai 2013
(Premiere)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

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Außerhalb linearer Wahrnehmung

Musiktheater total. Heiner Goebbels verschiebt die Grenzen, kommt zu neuen Realisationen von Klang und Raum, Szene und Bild. Seine Landschaft mit entfernten Verwandten mutet an wie der Spaziergang durch eine Wunderkammer. In jedem Schaukasten etwas Überraschendes, oft Exotisches, auch Exzentrisches und zuweilen sogar Vertrautes. Und dennoch fügt sich alles zusammen, weniger wie ein Puzzle, sondern als Zusammenführung von Eigenständigem und Widerständigem. Kurzum, Wundersames nimmt einen gefangen durch kunstvolle Originalität und Phantastik.

Vor gut zehn Jahren ist das Stück in Genf uraufgeführt worden, jetzt erlebt die so genannte Frankfurter Fassung des in Frankfurt lebenden Komponisten und Theatermachers im Bockenheimer Depot seine Erstaufführung. Als bezwingendes Gesamtkunstwerk, dessen neugieriger Experimentalcharakter sehr gut ins Ambiente dieser alternativen Spielstätte der Oper Frankfurt passt. Goebbels, hier auch Regisseur, führt durch Klanglandschaften und assoziative Bildwelten zwischen Orient und Okzident, die sich auch in den seltsam spröden Textketten von Gertrude Stein bis T. S. Eliot, Leonardo da Vinci bis Giordano Bruno, Mehbob bis Nicolas Poussain manifestieren, der klare Prinzipien zum Sehbaren in der Malerei verfasst hat und gleichzeitig von Esoterikern ob seiner angeblichen Verschlüsselungen verehrt wird. Es ist ein Tanz durch Geschichte, die sich wiederholt und dennoch stets neu sich zu positionieren bereit ist.

Die Musiker des exzellenten Ensemble Modern, die sehr viel mit Heiner Goebbels zusammenarbeiten und auf seine Phantasien und Reibungen eingestimmt sind, agieren hier auch als Darsteller. Wir sehen am Anfang einen Astroforscher, Typ Tycho Brahe, der per Fernrohr den Kosmos enträtseln will. Doch die Dinge bewegen sich, verlieren ihre Ordnung und kristallisieren sich neu: vielleicht in einem Derwisch-Tanz, in einer Schlacht um Spielzeug-Burgen, in philosophischen Betrachtungen oder zum amerikanischen Heimatabend. Goebbels öffnet dabei auch seine Wunderkammer aus Klängen und Instrumenten, Klaus Grünberg macht Licht im Bühnenrechteck, ebenso kongenial wie Florence von Gerkan die Kostüme.

Zwei Spieler haben besondere Aufgaben: David Bennent als agiler Textschleuderer und Bariton Holger Falk mit eigenwertigen Gesangsphrasen. Falk ist ein Spezialist fürs Zeitgenössische, vor kurzem hat er im Heidelberger Dionysos von Wolfgang Rihm auf sich aufmerksam gemacht. Franck Ollu, auch er Mitspieler, leitet das Ensemble Modern feinfühlig durch die wechselnden Klangbilder, die von den Instrumentalisten sensibel, energetisch und raffiniert gedeutet werden. Die Zuspielungen vom Deutschen Kammerchor entfalten gleichermaßen suggestive Wirkung.

Ein außergewöhnlicher Abend außerhalb linearer Wahrnehmung, der vom Premierenpublikum begeistert aufgenommen wird.

Eckhard Britsch







Fotos: Monika Rittershaus