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Fakten zur Aufführung 

IDOMENEO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
17. März 2013
(Premiere)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

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Herrscher im Fieberwahn

In der guten alten Mythologie, vor tausenden von Jahren, da ist der Mensch in unmittelbaren Kontakt zu seinen Göttern getreten. Die sind auch nur Menschen, unberechenbar und böse. Neptun zum Beispiel, der den Kreterkönig Idomeneo im Meereswüten überleben lässt, ihm aber dafür das Versprechen abzwingt, den ersten Artgenossen zu opfern, dessen er nach der Rettung ansichtig wird. Dummerweise ist das der geliebte Sohn und potenzielle Nachfolger Idamante.

Politik stößt auf familiäre Spannung. Idamante scheint es kaum erwarten zu können, die Macht vom Vater zu übernehmen. Gleichzeitig sind sie sich zugetan, mehr als in vielen Vater-Sohn-Beziehungen möglich. Hier setzt die Inszenierung von Jan Philipp Gloger ein, der dem äußeren Tableau mit den weiten Räumen von Hafen, Meer, Strand und Tsunami-Verwüstung eine Titelfigur beigibt, die nicht mehr ganz Herr der eigenen Sinne zu sein scheint. Von Furien gequält, vom leibhaftigen Neptun als Alter Ego in seelisches Niemandsland getrieben, zeigt ihn Gloger als Behandlungsbedürftigen. Trotz Admiralsuniform als äußerem Utensil gehört er ins Krankenbett. Ein Arzt misst den Puls und ist irritiert. Der Sohn nutzt Vaters Abwesenheit vor der seltsamen Errettung, um Herrscherfoto und Schreibtisch auszutauschen, auch setzt er einen Akzent, indem er den gefangenen Trojanern die Freiheit schenkt. Doch die Völkerverständigung wird nur widerwillig hingenommen.

Gloger schärft die Oper Idomeneo mit Bezügen zum Heute und mancher Ironie über die Mechanismen von Macht und Machtausübung. Die allseits bereiten Medien kommen vor, der gelenkte Massenjubel ebenso, auch die kaum verlässliche Palastwache mit Sturmgewehr; ein König ohne Orientierung, dem die Macht entgleitet. Und ein Herrscher voller Wahnvorstellungen, gefangen in kruden Fieberphantasien einschließlich Opfer-Szene mit Hohepriester im skurrilen Sokrates-Look. Zufällig passt in die Inszenierungs-Idee ausgezeichnet, dass der Idomeneo-Sänger Roberto Saccà, von einem Muskelriss geplagt, mit eine Krücke durch die Szene humpelt. Saccà singt mit jugendlich-strammem Tenor, „al dente“ sozusagen, und gibt der Figur viel zerquälten, an sich selbst zweifelnden Ausdruck. Er spürt, dass seine Zeit endet, versucht sich am Fitness-Gerät und ängstigt sich vor einem Putsch: Seine Welt ist aus den Fugen geraten.

Das Bühnenbild von Franziska Bornkamm mit den heutigen Kostümen von Karin Jud ist bestechend klar. Mittig der Drehbühne eine riesigen Querwand Marke Sichtbeton mit Flügeltüren. Durch sie lugt die Welt voll Kampf und Verwüstung herein, um die Achse gedreht, wird Privatheit gezeigt, aber auch diese ist gestört. Die Figuren werden nirgends einen gesicherten Raum finden.

Mozart hat mit Idomeneo seine impulsivste, seine Sturm-und-Drang-Oper geschrieben. Julia Jones am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters nimmt das als Herausforderung für präzise, zuspitzende Klangvorstellungen. Sie fordert explodierende Affekte und Genauigkeit in der Sängerführung. Zuweilen gerät ihr der Überschwang zu orchesterlastig, wenn sie etwa den weich-samten grundierten Tenor von Martin Mitterrutzner etwas abdeckt. Stürmisch gefeiert wird Elza van den Heever für ihre „Elettra“-Darstellung, die diese Figur von zauberischem Schönklang bis zum unkontrollierten Eifersuchtsanfall ausschöpft. Denn Elettra ist eifersüchtig auf Ilia, die das Herz des Idamante betört. Kein Wunder, denn die jungmädchenhafte Anmut von Juanita Lascarro geht einher mit feinen Mozart-Koloraturen. Überzeugend der klare Tenor von Kenneth Tarver als Arbace-Einspringer und Olaf Reinecke als personifizierter Neptun-Dämon. Tadellos agiert der große, von Matthias Köhler einstudierte Chor.

Das Premierenpublikum ist hoch zufrieden.

Eckhard Britsch





Fotos: Barbara Aumüller