Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

FALSTAFF
(Giuseppe Verdi)
9. Februar 2014
(Premiere)

Oper Frankfurt

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Nachts im Museum

Noch vor dem musikalischen Paukenschlag, mit dem Verdi seinen Falstaff auf die Hörer hetzt, kommt auf der Bühne der kleine Coup de Teatre. Gleich einer Abrissbirne bricht eine Kanonenkugel durch die Rückwand eines museumsähnlichen Raumes, darauf sitzt Dr.Cajus, der vom dicken Ritter Falstaff Vergeltung fordert – und trotz seines spektakulären Auftritts einfach an diesem abprallt. Leider geht diese spritzige Unterhaltung samt einsetzender Musik etwas unter in dem nun folgenden Gewusel, wo Trümmerteile weggeräumt werden, Dr.Cajus von seinem Sicherheitsgeschirr befreit werden muss und die ersten Personen auf die Bühne kommen. Wenn dieser Moment vorbei ist, wenn sich die Augen etwas beruhigt haben, kann man sich zurücklehnen, durchatmen und die Eindrücke sortieren.

Es ist nicht das einzige Manko an der Neuinszenierung von Keith Warner. Er macht eine Spur zu viel auf der Bühne, die er in Breite und Tiefe zu füllen weiß. Je nach Sitzplatz können daher dem Zuschauer einige Aktionen auf der Bühne entgehen. Zu empfehlen ist bei der Platzwahl auf jeden Fall die Mitte. Denn dann sitzt man dem szenischen Zentrum – natürlich Falstaff – genau gegenüber. Selbst das Bühnenbild von Boris Kudlička scheint sich um ihn herum zu sortieren. Der Einheitsraum bekommt ständig dadurch neue Facetten, dass klassische Falstaff-Requisiten in riesigen Vitrinen auf die Bühne gerollt werden. Egal ob Bierfässer oder Gartenlauben – eine blitzschnelle Verwandlung ist so möglich. Szenenapplaus gibt es zu Recht zu Beginn des dritten Aktes, wenn Falstaff in einer der Vitrinen wie auf dem Grund der Themse liegt und sich mit einem kräftigen Tritt daraus befreien muss. An diesem Effekt hat die Beleuchtung von Davy Cunningham einen maßgeblichen Anteil.

Gleichzeitig ist das Bühnenbild so Teil des Regiekonzepts, das in einer Art Rückschau aus der Zeit der industriellen Revolution auf die elisabethanische Zeit blickt, wo Falstaff ja sozusagen seinen Ritterschlag erhalten hat. Folgerichtig ist der nächtliche Streich, den die lustigen Weiber sich ausdenken, eben in dieser Epoche angesiedelt. Ein Shakespeare-Kostümfest, mit dem sich auch der für die Kostüme zuständige Kaspar Glarner einen bösen Scherz erlaubt: Laut Alice Ford wird sich Ms Quickly als Hexe verkleiden. Auf der Bühne steht sie dann dem reuigen Falstaff als Königin Elisabeth I. gegenüber und schickt ihn zur Hinrichtung.

Warners Konzept hat den Vorteil, dass es relativ werktreu herüber kommt und zudem auch alle Arten von Humor erlaubt. Der billige Slapstick hat hier ebenso seinen Platz wie die feine Ironie, und alles findet im Publikum seinen Widerhall. Gelacht wird an diesem Abend sehr viel – jeder hat dazu seinen richtigen Moment. Eine Art Running Gag hat Warner mit der stummen Rolle des Mr Page dazu erfunden, der, von Christof Fleischer gespielt, das Pech magisch anzieht. So ganz rund laufen die Geschehnisse auf der Bühne noch nicht, aber das betrifft auch die musikalische Seite. Vielleicht gibt es auch etwas zu wenig Hilfe vom Pult, denn Bertrand de Billy setzt vor allem in den ersten beiden Akten auf Geschwindigkeit und Lautstärke. Nicht, dass das nicht auch einigen Effekt machen würde. Aber trotzdem kann das Frankfurter Opern- und Museumsorchester eigentlich mehr mit der Partitur anfangen, wenn man etwas mehr Raffinesse zulässt. Allein schon die blitzend aufspielende Flötenabteilung des Orchesters demonstriert die Klasse des Klangkörpers. Nun ist der lockere Parlando-Ton der Oper ja ohnehin anfällig für Schwierigkeiten, aber der unfreiwillig auftretende Achtelkanon zwischen und innerhalb der Solisten und des Orchesters ist in der Premiere etwas zu deutlich. In Punkto Lautstärke nimmt de Billy das Orchester zum Glück nach der Pause zurück, so dass sich auch hier schöne Bilder entfalten können.

Zuvor haben die Klangfluten sogar den heiß erwarteten Rollendebütanten in Schwierigkeiten gebracht. Željko Lučić kehrt zu seinem alten Stammhaus zurück und beschert ihm einen Falstaff voller Würde und Witz. Ausgezeichnet in der Diktion, ganz sicher in der Fermaten und ganz souverän und galant im Parlando sitzt Lučić schon sehr, sehr sicher auf der Partie. Auch der immer leicht melancholische Unterton seines Timbres verleiht dieser Rolle das gewisse Etwas. Dazu macht der Bariton nicht nur im Kilt eine hervorragende Figur. Sollte es einen musikalischen Höhepunkt geben, dann findet man ihn wohl im zweiten Akt. Denn dort trifft der geniale Lučić in einem geschlossenen Ensemble auf zwei ebenbürtige Kollegen. Meredith Arwady ist eine zum Brüllen komische Ms Quickly, die Körper und Stimme großartig einsetzen kann. Vom Regen in die Traufe kommt man nach der Szene Falstaff – Quickly, wenn dann der wie entfesselt aufsingende Artur Ruciński als verkleideter Mr Ford die Bühne betritt. Sein hervorragend gestalteter und gespielter Eifersuchtsmonolog, in dem er sich auch erfolgreich mit dem Orchester messen kann oder leider muss, wird nur noch übertroffen durch das elegante Tänzchen, dass er beim Abgang mit Falstaff hinlegt. Das Duo Ruciński – Lučić ist an diesem Abend nicht zu schlagen.

Ausfälle gibt es an diesem Abend keine. Stattdessen sind nur glaubwürdige Figuren auf der Bühne und neben Lučić drei weitere Debütanten: Martin Mitterrutzner als sportlicher-schlanker Fenton und Grazia Doronzio als sanfte Nanetta sind mit Erfolg für die lyrische, gefühlvolle Romantik zuständig. Leah Crocetto überzeugt mit einem sehr angenehmen, vielleicht eine Spur zu dünnen Sopran als Alice Ford. Claudia Mahnke tritt rollenbedingt als souveräne Ms Meg Page nur knapp dahinter in die zweite Reihe zurück. Hans-Jürgen Lazar als Dr. Cajus sowie Peter Marsh und Alfred Reiter als Bardolfo und Pistola steuern manch komische Einlage bei. Der von Markus Ehmann einstudierte Chor fügt sich stimmlich und szenisch ganz unkompliziert ein, könnte aber noch mehr zur musikalischen Sicherheit auf der Bühne mit beitragen.

An diesem Abend wird ein wenig verspätet das Verdijahr gefeiert. Vielmehr ist Falstaff selbst das Geburtstagskind, der auf den Tag genau vor 121 Jahren in Mailand seine Uraufführung erlebte. Die Oper Frankfurt zeigt, wie man das würdig feiert, und hat dazu noch bestens gelaunte Gäste im Saal. Der Applaus ist lang und laut, die Ovationen für Lučić, Ruciński und Arwady noch lauter. Auch das Team um Keith Warner erntet überwiegend zufriedene Zustimmung. Happy Birthday, Falstaff – mögest du ewig so jung bleiben wie in Frankfurt.

Christoph Broermann





Fotos: Monika Rittershaus