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Fakten zur Aufführung 

ARIADNE AUF NAXOS
(Richard Strauss)
5. Oktober 2013
(Premiere)

Oper Frankfurt


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Im Banne des roten Seelenfadens

Das Geniale zuerst: der Bühnenseelenraum! Guckkastenzauberer Johannes Leiacker, der auch zuständig für die famos witzigen Kostüme dieser Ariadne auf Naxos von Richard Strauss ist, entführt mit seinen Bühnenräumen, die er aus dem Geiste der Mythen um Ariadne und aus dem Libretto des Textdichters Hugo von Hofmannsthal, in poetische Seelenwelten. Vorherrschend und symbolträchtig sind die Farben weiß, schwarz, rot: Im Vorspiel, das in der Vorhalle einer Luxusvilla „des reichsten Mannes von Wien“, einem echten Kultursammler, spielt: weiße Wände, schwarz glänzender Marmor – der ein tiefer dunkler See sein könnte – und ein langer roter Teppich. Weiß steht als Symbol für die reine Seele, schwarz für die Nachtseiten, die Abgründe der menschlichen Psyche, rot für die Verletzungen, die Wirrnisse des menschlichen Herzens. Und rot ist ja auch der berühmte „Ariadnefaden“, den Theseus zur Rückkehr aus dem Labyrinth von Ariadne geschenkt bekam. Alle Figuren dieser Ariadne tragen zudem ein leuchtend rotes Kleidungsstück. Alle sind vom  Liebesrot  umfangen.

Im zweiten, dem so genannten Opernteil wird es vom Bildhaften her surrealistisch. Es scheint, als befänden sich alle Spieler von Träumen umgeben. Im Bühnenraum befindet sich ein nach hinten verengender Gang auf dem ein roter „Erinnerungs-Leidens-Blutteppich“ liegt. Rechts eine hohe schwarze Tür, links drei kleinere Türen, ein übergroßer Stuhl auf dem die quirligen Protagonisten hopsen, hin und her krabbeln. In der Mitte kauert Ariadne auf einem Stuhl,  zupft an roten Wollfäden oder wickelt einen roten Faden auf einen dicken Knäuel. Leiacker packt das „Zeitalter der Traumanalyse“ in seine magischen Bühnenräume: Das ist gespenstisch genial!

Regisseurin Brigitte Fassbaender deutet die Neuinszenierung ihrer Ariadne auf Naxos ganz und gar aus dem Libretto, aus dem stückimmanenten Material heraus. Zum Saisonauftakt startet die Oper Frankfurt mit ihrer ersten Eigenproduktion dieser Spielzeit. Ariadne ist die zweite Fassung dieser von Richard Strauss und seinem kongenialen Textdichter Hugo von Hofmannsthal 1916 konzipierten Oper in der Oper. Fassbaender inszeniert mit Raffinesse, ohne Schnickschnack. Sie lässt sich nicht verführen, zu komödiantisch oder zu trauerschwer zu werden. Das tut dem schwierigen Stück gut. Denn im so genannten Vorspiel, das eben in jener Lobby des „reichsten Mannes Wiens“ spielt, treffen die Künstler einer ernsten Oper und die Figuren einer Opera Buffa in schönster Spiellaune und mit all ihren  Eitelkeiten aufeinander.

Der „Reiche“, der sich alles erlaubt, sich alles leistet, benutzt die Kunst, die Künstler nur als  Schmuckstücke, um seine Eitelkeiten zu befriedigen. Gleich zwei Opern will er hören, zum Erschrecken des armen ernsten Komponisten eine Tragische und eine Opera buffa. Nicht nacheinander, sondern gleichzeitig sollen die Opern gespielt werden, da ein angesetztes Feuerwerk pünktlich beginnen muss. Jetzt kommt Schwung, Hektik auf und alle wirbeln wild durcheinander. Der Komponist der ernsten „Ariadneoper“ ist entsetzt, braucht aber Geld. Künstler, ob leichte oder ernste Muße, halten zusammen und spielen im zweiten Teil letztlich eine Opera tragico mit komödiantischen Einlagen. Ariadne darf in ihrer schwarzen Seelenkammer leiden, den roten Faden rollen und herzzerreißend schluchzen. Die buffonen Spielgesellen taumeln tragikomisch, wie clowneske Fellini-Gestalten durch das Bild. Nur Zerbinetta, die leichtfüßige Koloraturheldin, behält die Übersicht im Spiel im Spiel. Am Ende siegt die Liebe. Ariadne verliebt sich in den neuen jungen Bacchus. Ihre Seele ist gerettet und der Komponist wird gefeiert.

Star des Abends mit einer gehörigen Portion Szenenapplaus ist die betörend schön singende und hinreißend agierende Brenda Rae als Zerbinetta. Ihre hoch komplizierte Bravourarie Großmächtige Prinzessin gerät zum Triumph. Die Sopranistin Camilla Nylund verkörpert leidenschaftlich die in Trauersamt gekleidete Primadonna/Ariadne mit klarer Textverständlichkeit und beherztem Schöngesang. Die dritte „tolle“ Frau ist Claudia Mahnke, die den Komponisten mit Herz, Leib und Seele verkörpert. Sie ist eine begnadete Sängerdarstellerin, auf die sich das Frankfurter Publikum immer wieder freut. Diese Ariadne ist eine echte „Frauenoper“. Zum glücklichen Zuge kommen auch die drei Grazien Najade, Dryade und Echo, liebreizend gesungen von Elizabeth Reiter, Stine Marie Fischer, Maren Favela. Franz Grundheber verkörpert seinen Musiklehrer mit großer Grandezza. Von ihm hätte man gerne mehr gehört. Als errettender Liebhaber Bacchus glänzt Michael König. Das restliche Ensemble – Daniel Schmutzhard, Michael McCown, Alfred Reiter, Martin Mitterrutzner und Peter Marsh – fügt sich mit spielerischem Elan in ein überragend gefeiertes Gesamtbild ein.

Sebastian Weigle entführt mit seinem Frankfurter Opern- und Museumsorchester in die kammermusikalisch anspruchsvollen, klirrend schönen, silbern irritierenden Klangwelten von Richard Strauss. Ein gelungener, mit frenetisch langem Beifall gefeierter Opernabend.

Barbara Röder

Fotos: Monika Rittershaus