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Fakten zur Aufführung 

ADRIANA LECOUVREUR
(Francesco Cilea)
4. März 2012
(Premiere)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Einstürzende Altbauten

Ein Schreck ereilt Teile des Publikums. „Achtung, Achtung“, wird der Heldentenor gewarnt, den eine umstürzende Kulisse zu erschlagen droht. Aber erstens ist die aus Pappe und Stoff und zweitens bleibt er deshalb cool, weil dieser Gag gewollt ist. Mit ihm wird die Brüchigkeit einer großbürgerlich-feudalen Fassade gezeigt, deren Hohlheit sich in Intrigen und Liebesgeplänkel, Eitelkeit und Selbstbezogenheit erschöpft.

Das ist originell gemacht in Frankfurt, zumal im Nachbarort Darmstadt sich neulich tatsächlich ein Kulissenteil unbeabsichtigt verselbständigt hat; aber der Glanzpunkt des Premierenabends Adriana Lecouvreur von Francesco Cilea ist eben doch dessen Musik und deren Umsetzung. Denn so süffig, emotional aufbrausend, pastös und bezwingend wie vom Museumsorchester unter Leitung von Carlo Montanaro bekommt das Publikum diese herrliche Komposition selten serviert, zumal der von Matthias Köhler einstudierte Chor wieder prächtig agiert.

Cilea steht mit seinem impressionistisch gefärbten Verismo im Schatten von Puccini. Das ist schade, denn Adriana Lecouvreur verfügt zwar  über kein überwältigendes Libretto, dafür aber über eine grandiose Musik. Zwei schöne Frauen, die Schauspielerin Adriana Lecouvreur, einem historischen Vorbild nachempfunden, und die Fürstin von Bouillon gönnen sich gegenseitig den Fürsten von Sachsen nicht. Der heißt Maurizio oder Moritz, erhofft sich von der einen Protektion und von der anderen das heiße Herz. Das muss wohl schief gehen, und am Ende verendet Adriana am Todeshauch des präparierten Veilchenstraußes. Den hat ihr die Rivalin ins Haus geschickt. Männer nehmen bekanntlich die Axt, Frauen das Gift, da kommt man ihnen seltener auf die Schliche.

Gesungen wird gut bis sehr gut. Micaela Carosi singt die Titelpartie mit glutvollem Timbre und großer Diven-Geste, allerdings in den Spitzen etwas heftig vom Vibrato unterfüttert. Da kontert die Rivalin Tanja Ariane Baumgartner über ihren verführerischen Mezzo. Im Duett übertrumpfen sie sich gegenseitig. Als Moritz, den es nach Ruhm auf dem Felde der Ehre dürstet, punktet Frank van Aken mit stabilem Heldentenor, dem allerdings an diesem Abend einige Facetten fehlen. Geschmeidig gibt Peter Marsh den intriganten Abbé, anrührend Davide Damiani den vergeblich verliebten Theaterinspizienten Michonnet, und mit kerniger Substanz unterlegt Federico Sacchi die Figur Fürst von Bouillon.

Regisseur Vincent Boussard lässt die Figuren in abgefeimter Manier aufeinanderprallen; die Szene dafür richtet Kaspar Glarner an, wenn er eine Theaterkulisse aus dem frühen 18. Jahrhundert der kühlen Abstraktion für ein heutiges Gesellschaftsereignis gegenüberstellt. Diese beiden Aspekte illustriert Modeschöpfer Christian Lacroix mit opulenten Kostümen. Das Premierenpublikum erholt sich schnell vom Schreck der einstürzenden Altbauten und ist begeistert. Die Interpretin der Titelfigur erhält einige schüchterne Buh-Rufe. Und die Erkenntnis bleibt: Cilea ist mehr wert als gelegentliche Bravourarien im Rundfunk.

Eckhard Britsch







Fotos: Wolfgang Runkel