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Fakten zur Aufführung 

DER BARBIER VON SEVILLA
(Gioacchino Rossini)
5. Oktober 2012
(Premiere am 3. Juni 2012)

Landestheater Schleswig-Holstein,
Flensburg


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Bunte Bilder und pfiffige Einfälle

Wer kennt ihn nicht, den berühmtesten Barbier aller Zeiten? Figaro, der nicht nur meisterhaft mit dem Rasiermesser umgehen kann, sondern sich auch durch scharfen Witz auszeichnet. In dieser Vorgeschichte zu Mozarts Oper Die Hochzeit des Figaro ersinnt Figaro - gegen reiche Bezahlung - die Intrige, wie Rosina ihrem Vormund Bartolo auszuspannen ist, damit Graf Almaviva sie heiraten kann. Die brillante Anmut der Musik, die effektvoll-virtuosen Gesangspartien, aber auch das rasante Tempo, mit dem die Handlung voraneilt, sichern dem Barbier von Sevilla einen Dauerplatz im Repertoire. Das Schleswig-Holsteinische Landestheater spielt in deutscher Sprache die Fassung für eine Koloratur-Mezzosopranistin, wie Rossini sie für seine Gattin, die Sängerin Isabella Colbran, geschaffen hat.

Die Voraussetzungen für einen großen Opernabend im nördlichsten Opernhaus Deutschlands sind also gut. Umso erstaunlicher ist es, dass sich gerade einmal 75 Zuschauer in das 460 Plätze fassende Theater einfinden. Das ist umso bemerkenswerter, da gerade eine sehr aufwändige Werbekampagne für den Erhalt des Theaters in Schleswig läuft. Das Landestheater Schleswig-Holstein bespielt ein Dutzend Spielstätten im Lande, darunter die Theater in Flensburg, Rendsburg, Schleswig und Itzehoe. Da muss schon einmal hinterfragt werden, warum bei einem derartigen Opernklassiker das Haus so leer bleibt, zumal am Abend zuvor die Vorstellung My Fair Lady und am Folgeabend die Vorstellung Evita ausverkauft sind. Am Stück, das bei seiner Uraufführung noch durchgefallen ist, an der Inszenierung oder an der musikalischen Umsetzung kann es eigentlich nicht liegen, und auch das Preisgefüge der Eintrittskarten bewegt sich im unteren Segment. Hier sind die Verantwortlichen des Theaters gefordert, Ursachenforschung zu treiben, denn nur volle Häuser sind Argument für den Erhalt von Theatern.

Regisseur Markus Hertel erzählt eine heitere, burleske Komödie ohne großen Tiefgang, mit bunten Bildern und einigen pfiffigen Einfällen. Als sich nach der schwungvollen Ouvertüre der Vorhang hebt,  ist die Bühne in Rauch gehüllt, und ein unorganisiertes Blasorchester tritt auf, denn es soll der jungen Rosina, dem Mündel des altlüsternen Dr. Bartolo, in die sich der junge Graf Almaviva verliebt hat, ein Ständchen bringen. Nachdem der Rauch sich verzogen hat, wird das Bühnenbild von Udo Hesse, der auch die bunten Kostüme entworfen hat, sichtbar. Ein mediterranes Häuschen mit windschiefer Laterne und einem Balkon à la Romeo und Julia, der für Ständchen wie geschaffen ist, angesiedelt im Sevilla Ende der 1960-iger Jahre, je nach Szene drehbar. Ein Hingucker ist der Auftritt des umtriebigen Figaro auf einem Vespa-Dreirad. Auf der Ladefläche jede Menge Accessoires für die vielen Facetten seines Berufes, vom klassischen Rasierzeug bis hin zu erotischen Dessous. Figaro zieht die Strippen. Er gibt Graf Almaviva Nachhilfeunterricht in Liebesdingen, berät ihn in Verkleidungsfragen und organisiert einen Fluchtplan für Rosina aus dem Joch des Dr. Bartolo. Nur gut, dass der Graf vermögend ist, alles bezahlen kann, und am Ende auf die Mitgift Rosinas generös verzichtet, so dass dem Glück des Paares nichts mehr im Wege steht.

Das Ensemble hat in dieser Inszenierung alle Freiheiten, sich komödiantisch auszutoben. Aber auch sängerisch lässt der Abend fast nichts zu wünschen übrig. Der koreanische Tenor Jin-Hak Mok überzeugt in der Rolle des Grafen Almaviva als klassischer Tenore di Grazia, mit hellem Timbre und schlanker, eleganter Linienführung. Mit warmem Timbre und fast schon dramatischen Spitzentönen agiert die ukrainische Sängerin Svitlana Slyvia als Rosina. Ihr Mezzosopran hat eine profunde Tiefe, und die Koloraturen meistert sie mit ausgefeilter Technik, auch wenn die deutsche Übersetzung den klassisch perlenden Fluss nicht immer zulässt. Dabei wirkt ihre Stimme bei aller ihr zur Verfügung stehenden stupenden Dynamik dann etwas unausgeglichen, das reine Belcanto-Glück mit schön ausgesungenen Legato-Bögen mag sich nicht recht einstellen.

Der junge schwedische Bariton Fabio Joa Helgesson gibt den Figaro mit frischer, unverbrauchter, sehr differenzierter und exakt artikulierender Stimme und großem komödiantischen Spieltalent. Bereits mit der populären  Auftrittsarie Ich bin das Faktotum der Stadt überzeugt er mit männlich markantem Bariton voll stimmlicher Strahlkraft und betörendem  Timbre. Der österreichische Bassist Markus Wessiack besticht als Dr. Bartolo mit profunder Tiefe und herrlicher Situationskomik. Herausragend auch der Bassist Kai-Moritz von Blanckenburg. Sein Basilio nimmt sowohl  mit seinem schön strömenden kräftigen Bass als auch seinem feinem Spiel für sich ein. Die junge Sopranistin Brigitte Bayer stellt die komische Alte Marzelline mit Witz und angenehmer Stimmführung dar. Das Ensemble vervollständigt Alexej Lykov im Dauereinsatz als Fiorillo, Offizier und Notar.

Von Peter Sommer  am Dirigentenpult des  Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters gehen nur wenige orchestrale Akzente aus - er beschränkt sich auf das unauffällige Begleiten der Sänger, was ihm aber vorzüglich gelingt. Insgesamt ist sein Barbier schwungvoll, aber nie exaltierend. Die Herren des Opernchores sind von Bernd Stepputtis solide eingestimmt.

Die wenigen Zuschauer sind aber am Schluss begeistert von diesem Barbier. Es gibt großen Applaus für alle Beteiligten. Schade nur, dass an diesem Abend nicht mehr Zuschauer in diesen Genuss gekommen sind.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Heiner Seemann