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Fakten zur Aufführung 

LUCI MIE TRADITRICI
(Salvatore Sciarrino)
14. Mai 2011

Oper Frankfurt


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Die Liebe im Käfig der Ehre

Mit welcher Hochachtung wir heute die Madrigalkunst von Gesualdo verehren. Ihre Kühnheit, ihre textliche Verrätselung, ihre musikalische Freiheit. Doch wer steckt dahinter? Ein Mörder, der als Renaissance-Herr für sich in Anspruch nahm, sein ungetreues Weib samt Liebhaber grausam zu meucheln. Das Bett als Altar. Verurteilt wurde Gesualdo nie, traumatisiert blieb er zeitlebens.

Die Oper Luci Mie Traditrici (deutscher Titel: Die tödliche Blume) von Salvatore Sciarrino erinnert in ihrem Sujet deutlich an das historische Vorbild. Die Oper Frankfurt hat dieses großartige musikalische Kammerspiel, das einen seltsam intensiven Sog entwickelt, im Bockenheimer Depot herausgebracht. „Seltsam“, weil Sciarrino, der sich selbst mit einem gewissen Understatement als Autodidakten, viel authentischer aber als „musikalischen Archäologen“ bezeichnet, mit kleinen, flirrenden Formeln dem Orchesterklang feinste Differenzierungen entlockt und über ungewohnte Abstraktionen Hörgewohnheiten umdreht. Damit werden die Figuren auf ihren inneren Kern fokussiert und erleben staunenswerte Gestalt.

Der fürstliche Herr „Il Malaspina“, den Christian Miedl mit genau durchdeklinierter Baritonstimme verkörpert, schwört seiner Gattin „La Malaspina“ - Nina Tarandek mit intensiven Mezzo-Vokalisen - ewige Liebe und Treue, die Bekenntnisse sind natürlich beiderseitig. Doch schon deren Absolutheit birgt den Keim des Scheiterns in sich. Regisseur Christian Pade lässt die Liebenden wie in konzentrischen Kreisen sich einander nähern, und dennoch ist immer Distanz spürbar, denn der wahre Gleichklang der Seelen fehlt. In diese Lücke stößt „L’Ospite“ - Roland Schneider mit stabilem Counter -, und um ihn und La Malaspina ist es geschehen. Einer lauert und verrät die heimliche Liebelei: „Un Servo“, der Diener, den Tenor Simon Bode charakterisiert. Aber er bezahlt bitter, denn der entehrte Fürst erdolcht ihn, den Überbringer der schlechten Nachricht.

Die Ehegatten versuchen einen Neuanfang. Im Bett wollen sie sich finden, doch unter dem weißen Laken kommt ein schrecklich verstümmelter Gast zum Vorschein. Das Bett als grässlicher Altar, auf dem jede Liebe geopfert wird.

Im Bockenheimer Depot hat Alexander Lintl drei hohe Lattenkäfige als Synonym für das seelische Gefangensein der Protagonisten bereit gestellt, vor und in denen sich das suggestive Zu- und Gegeneinander entwickelt. Das Opern- und Museumsorchester spielte unter Leitung von Erik Nielsen mit großer Sensibilität für die Verästelungen und Klangmetamorphosen dieser Musik. Ein wertiger Abend für einen der originellsten Opernkomponisten unserer Zeit.

Eckhard Britsch

 







 
Fotos: Wolfgang Runkel