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Fakten zur Aufführung 

WE WILL ROCK YOU
(Brian May/Roger Taylor)
11. April 2013
(Premiere)

Colosseum-Theater, Essen

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Zoten und Slapstick

Fragt mich nicht, wie, aber an diesem Tag ging ich mit leerem Kopf aus dem Haus und kehrte mit der kompletten Story zu We will rock you nach Hause zurück“, erzählt Drehbuchschreiber und Regisseur Ben Elton gern über die Entstehung des Musicals, das am 14. Mai 2002 seine Uraufführung am Dominion Theatre im Londoner West End erlebte und inzwischen mehr als 13 Millionen Zuschauer begeistert hat. Die Story ist intelligent, kritisch und würdigt die Rockband Queen, aber auch Freddie Mercury in überzeugender Form. Die Welt der Zukunft kennt keine handgemachte Musik mehr. Die Menschen sind online, eine Firma beherrscht die Internetwelt. Musik wird programmiert. Das Unternehmen versucht, dafür zu sorgen, dass keine andere Musik mehr stattfindet. Galileo Figaro ist ein Jugendlicher, der merkt, dass er anders tickt als die „Gaga-Girls und -Boys“ seiner Generation. Die Bohemians erkennen in ihm den Messias, und so macht sich „Fifi“ mit Freundin Scaramouche auf die Odyssee, die einzig noch existierende E-Gitarre, die Queen dereinst an einem geheimen Ort versteckt und somit vor dem Zugriff der digitalen Welt geschützt hat, wiederzufinden. Das Happy-End ist vorprogrammiert wie der Niedergang der Internetfirma – macht aber nichts, ist schön so. Schön sind auch die Kostüme von Tim Goodchild, der sich darauf konzentriert, rollencharakterisierende Bekleidung zu finden. Da treten beispielsweise die Gaga-Girls und -Boys in uniformem Weiß auf, die Killer-Queen als Vorstandsvorsitzende des Konzerns ist stets in martialischen Ledergarderoben vertreten, der Sicherheitschef wird mit nichtssagendem Anzug und Sonnenbrille, gerne auch mal mit dem Maxi-Mantel bestückt und die Bohemians überziehen die „Rocker-Kluft“ ins Fantasiereich. Man spürt die Freude Goodchilds, sich über die Mainstream-Mode der Zukunft Gedanken zu machen. Selbst die Datenbrille und der Computer am Handgelenk sind fester Bestandteil weißer Einheitskleidung, die mit Plastikelementen kombiniert wird. Solchermaßen ausstaffiert, unterziehen sich die Akteure einer durchaus anstrengenden, aber gelungenen Choreographie von Arlene Philips. 21 Songs von Queen sind live mit einer gehörigen Portion Action zu absolvieren. Mark Fisher entwirft dazu ein technisch aufwändiges Bühnenbild, das Willie Williams nicht nur in ein durchweg spannendes Licht setzt, sondern auch mit Videos versorgt, die meist gut ins Bild passen. Bis dahin also macht das alles Spaß, ist mit absolut überzeugender und bewundernswerter Professionalität in Szene gesetzt.

Wird das Musical für einen neuen Standort vorbereitet, werden auch die Dialogtexte und der Sound neu eingerichtet. So auch im Colosseum Theater in Essen, in dem das Musical bis Ende Juni gastiert. Zur Premiere ist das Haus ausverkauft. Das Publikum mischt Honoratioren gesetzteren Alters über Queen-Anhänger bis zu jungen Engländern. Von Anfang an herrscht lebhafte Stimmung im Saal. Die Besucher wollen kein Musical sehen, sondern Queen feiern. Da sind die Dialoge nicht so wichtig. Umso schöner, dass sie sich streckenweise auf niedrigstem Comedy-Niveau bewegen. Von der billigen Zote bis zum Slapstick wird hier nichts ausgelassen. Das Publikum amüsiert sich. Zwischendurch dröhnt der Sound. In den vorderen Reihen ist nur noch Klangmatsch zu hören. Die Veranstalter bieten Ohrstöpsel kostenfrei dagegen an. Vielleicht hätte, wie bei den Dialogtexten auch, eine sorgfältigere Aussteuerung für mehr Freude gesorgt.

Dabei geben die Darsteller ihr Bestes. Christopher Brose verleiht dem Galileo Figaro jene nicht-wissende Naivität, die ihn zum Messias kürt, und singt überzeugend auch die streckenweise schwierigen Stimmwechsel, die Queen zum Markenzeichen gemacht hat. Erst gegen Ende der dreistündigen Aufführung muss er kämpfen, ehe er noch einmal alle Reserven mobilisiert und das Publikum auch im Finale begeistert. Scaramouche ist eine freche Göre, und Jeannine Michele Wacker spielt die 17-Jährige herzerfrischend. Ein paar Wackler in der Stimme nimmt man da gerne hin. Brigitte Oelke hat Schwierigkeiten mit dem Einstieg, der eine kaum zu bewältigende Stimmkraft erfordert, findet dann aber rasch in die Rolle der Killer-Queen und steht an Boshaftigkeit Glenn Close in 101 Dalmatiner in nichts nach. Einen überzeugenden Sicherheitschef gibt Martin Berger als ambivalenter Sänger und Schauspieler zwischen Machtgenuss und Subordination. Insgesamt liefern Solisten und Chor keine billige Coverversion von Queen-Songs, sondern eine eigenständige und beständige Interpretation.

Die Band unter Leitung von Jeff Frohner spielt präzise aus dem Off. So viel Authentizität ist vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass Brian May und Roger Taylor bis heute ihren Einfluss geltend machen.

Das Publikum lässt sich keinen Schenkelklopfer entgehen, geht aber auch musikalisch mit, applaudiert jeden Song und steht beim vermeintlich letzten Akkord wie ein Mann, um die Aufführung frenetisch zu feiern. Und wenn alle ganz lieb sind, gibt es auch die Bohemian Rhapsody noch… Trotz dialogischer Griffe unter die Gürtellinie und rabaukenhafter Beschallung hinterlässt diese Reminiszenz an eine Rockband, die mit ihrer Musik mindestens eine Generation geprägt hat, ein gutes Gefühl.

Michael S. Zerban

 





Fotos: Nilz Böhme