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Fakten zur Aufführung 

PELLÉAS ET MÉLISANDE
(Claude Debussy)
6. Oktober 2012
(Premiere)

Aalto-Musiktheater Essen


Points of Honor                      

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Bedrohliche Konventionen

Bestimmte Epochen sind – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung - geprägt durch Gegensatzpaare, so auch in der Musik. Im Allgemeinen gilt Guiseppe Verdi als der Widerpart Richard Wagners, Giacomo Puccini als der Richard Strauss’. In der Nachfolge Wagners ist Strauss wohl der Komponist, der dessen Weg am konsequentesten beschritten hat. Einen anderen, von Wagner durchaus beeinflussten und doch in die entgegengesetzte Richtung beschrittenen Weg ist Claude Debussy mit seiner Oper Pelléas et Mélisande gegangen, ein Werk, das an Tristan und Isolde erinnert – und dann doch das völlige Gegenteil zu sein scheint. Es geschieht eigentlich nicht viel. Bis auf den Brudermord Golauds am Ende des vierten Aktes findet in Pelléas et Mélisande kaum Handlung statt. Spannung muss aus dem Innenleben der Figuren selbst herausgearbeitet werden – eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für den Regisseur.

Das Schloss Allemande wird in der Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff zum Sinnbild bürgerlicher Enge, die die Handelnden in zwei Gruppen teilt. Vor allem Golaud und Geneviève fügen sich den Konventionen, während die beiden Titelpartien – von Golaud immer wieder als „Kinder“ tituliert – träumerisch, spielerisch der Enge entfliehen, bis beide daran zerbrechen. Es ist das klar strukturierte Bühnenbild Raimund Bauers mit seinen kantigen Treppen und hohen Wänden, das die Enge des Schlosses widerspiegelt, wunderbar abgerundet durch die Arbeit mit Licht, für das Olaf Freese verantwortlich zeichnet. Zu diesem impressionistischen Spiel aus Formen und Farben, das durch Subtilität anstelle märchenhafter Opulenz überzeugt, tragen auch die von Andrea Schmidt-Futterer geschaffenen Kostüme bei.

Das Ensemble singt nicht nur durchweg auf hohem Niveau, sondern trägt durch viel Spielfreude und Ausdruckskraft zur spannenden Zeichnung der Charaktere bei. Michaela Selinger als Mélisande und Jacques Imbrailo als Pelléas nimmt man die kindliche Unschuld ab. Imbrailos Tenor schwebt über dem Orchesterklang und überzeugt durch ein nahtloses Wechselspiel zwischen forte und piano. Anmutig und mit sanfter Stimmführung gestaltet Selinger den mysteriös-märchenhaften Liebreiz der Mélisande. Vincent Le Texier scheint die Partie des Golaud wie auf den Leib geschrieben. So wird die Darstellung des vor Eifersucht Rasenden zum Höhepunkt des Bühnengeschehens, da sich hier eindringlicher Gesang und überzeugendes Spiel hervorragend ergänzen.

Nicht zu vergessen die Essener Philharmoniker, die Debussys Musik unter der Leitung von Stefan Soltesz mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit zum Klingen bringen. So gelingt ein spannender Opernabend, der etwas mehr Enthusiasmus verdient hätte, als das zwar durchweg goutierende, aber insgesamt doch recht brav applaudierende Premierenpublikum.

Sascha Ruczinski

Fotos: Hermann und Clärchen Baus