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Fakten zur Aufführung 

PARSIFAL
(Richard Wagner)
26. Januar 2013
(Premiere)

Philharmonie Essen


Points of Honor                      

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Zwischen den Welten

Eine Wagner-Oper ohne Bühne, eine Parsifal-Inszenierung ohne geheimnisvolles Bühnenbild, ohne opulente Kostüme… geht das überhaupt? - Nach der Essener Aufführung eines konzertanten Parsifal ein uneingeschränktes ja! Es ist schon ein gewisses Wagnis, auf die sonst üblichen Ausstattungseffekte Wagnerscher Opern zu verzichten. Es gibt viele Ideen im Libretto, die jeden Opernausstatter reizen müssen. Ob es ein Phantasiebild der geheimnisvollen Gralsburg ist, die verführerischen Blumenmädchen in Klingsors Zaubergarten oder die Enthüllung des Gral, hier sind die Zuschauer auf ihre eigenen Phantasien angewiesen - wäre da nicht Wagners Musik.

Für sie hat Thomas Hengelbrock das volle Wagnersche Operninstrumentarium zur Verfügung: Das große Balthasar-Neumann-Ensemble mit unter anderem zwei Harfen, speziellem Schlagwerk mit Blechen und großen Gongs sowie mehrere historische Instrumente, darunter die in ihrem weichen Ton bemerkenswerten Holzflöten. Mit dem Balthasar-Neumann-Chor und einem Knabenchor der Chorakademie Dortmund ist der Dirigent auch chormäßig bestens vorbereitet.

Hengelbrock präsentiert, bei durchaus sparsamem Dirigat, ein Konzert, das die Fülle der Klänge und Effekte der Musik Wagners aufmerksam, souverän und äußerst genau zum Klingen bringt. Schon in der zart-gefühlvollen Ouvertüre zeigt er vom feinsten Pianissimo bis zum voluminösen Vollklang die Dynamik des Orchesters, wenn schließlich Trompeten und Posaunen das Neue ankündigen. Die späteren Chorpartien unterstützen von unterschiedlichen Auftrittsorten aus die Fülle der Wagnerschen Klänge. Der Knabenchor verstärkt aus dem obersten Rang die sphärischen Passagen des Orchesters. Die Auftritte der Solisten sind abwechslungsreich und musikalisch bestens präsent. In jeder Beziehung überzeugend gestaltet Kwangchul Youn mit voll tönendem, aber differenziert gesungenen Bass die Figur des Gurnemanz. Bemerkenswert und von den Zuhörern besonders gefeiert, singt Angela Denoke, Sopran, eine berührende Kundry, deren Zwielichtigkeit sie mit großer Glaubwürdigkeit und sparsamer Gestik bringt. Für Parsifal, den Simon O´Neill mit hellem Tenor sicher singt, hätte man sich etwas mehr Glanz gewünscht. Parsifal, der Durch Mitleid wissend … reine Tor, den die Protagonisten als den Verheißenen erwarten, hat einige Probleme, seinen Part präsent zu bringen. Matthias Goernes Amfortas und Johannes Martin Kränzles Klingsor überzeugen in tiefen Stimmlagen. Victor von Halem muss den alten König Titurel zum Teil aus dem Bühnenhintergrund singen, und ist doch präsent. Die kleineren Partien von den Knappen, Rittern und Blumenmädchen sind ausnahmslos gut besetzt und bilden wertvolle Elemente des gesamten Klangbildes. Selbst als im dritten Akt Parsifal den Gral aufdeckt und jenseitiges Licht gefragt ist, wird das dann aufscheinende Licht in Wagners Musik durchaus erkennbar, wenn sich Flöten und Streicher in immer höhere Klangsphären emporheben.

Die Zuhörer sind Zeugen einer Musikaufführung, die ohne Probleme auf die vom Komponisten vorgesehene Visualisierung auf der Bühne verzichtet, und haben doch die Gewissheit, einen „echten“ Wagner erlebt zu haben, dem kein Ausdruck, keine Dramatik, kein Gefühl fehlt. - Und wo bleibt Wagners Anspruch, seine Opern als „Gesamtkunstwerk“ zu begreifen, in denen jedes Element auf ein anderes bezogen ist? Die Essener Aufführung zeigt, dass es durchaus werkkonform ist, Unklarheiten und Unschärfen, die Wagners Oper stehen lässt oder aufwirft, musikalisch zu beantworten. Ob es der Gral ist, der vielfältig interpretiert wird, ob der Speer, der Tod und Heilung bringen kann, ob die schwer begreifbare Figur des Parsifal … Die konzertante „Inszenierung“ kann auf zahlreiche, sonst übliche Visualisierungen verzichten, die die merkwürdigen Wagnerschen Philosopheme und Religionsphantasien auf die Bühne bringen müssten. Wer vorher die Befürchtung hatte, „nur“ einen konzertanten Parsifal zu erleben, hat sich getäuscht. Die Besucher danken mit minutenlangem rauschenden Beifall für eine Parsifal-Aufführung, die sie auch ohne schauspielerische Elemente und Bühne als kompletten, authentischen und für sich stehenden „Wagner“ erleben. Einfach gelungen.

Horst Dichanz

Fotos: Sven Lorenz