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Fakten zur Aufführung 

OPERNGALA
MIT OLGA PERETYOTKA

(Dirigent Ola Rudner)
26. Januar 2014
(Einmaliges Konzert)

Philharmonie Essen


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Lehrstunde für Sopran

Nach dem Kaffeetrinken am Sonntagnachmittag ins Konzert, das ist eine schöne Sache. Da geht man gern mal in Grüppchen oder mit den Eltern, die erfreulicherweise schon ein biblisches Alter erreicht haben. Mozart ist da gut. Aber nicht dauernd dieser Blaskapellensound von Verdi. Erzählt der erfahrene Abonnent, der mit Frau und Vater da ist. Und mit dieser Olga wie heißt die kann er erst mal auch gar nichts anfangen. Beim zweiten Rossini hat sie doch arg in den Koloraturen geschludert, sagt er. Gemeint ist Olga Peretyatko, und sie ist nicht irgendeine, sondern eine der weltbesten Sopranistinnen. Aber muss ein Mozart-Fan das wissen? Nein, da muss die Peretyatko ihn schon überzeugen.

Mit 15 Jahren begann Olga Peretyatko ihre musikalische Laufbahn im Kinderchor des Mariinski-Theaters in Sankt Petersburg. Nach der Ausbildung zur Chordirigentin absolvierte sie ein Gesangsstudium an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin und vervollständigte die praktische Ausbildung im Opernstudio Hamburg. Seitdem geht ihre Karriere steil bergauf. In diesem Jahr wird sie an der Scala in Mailand und der Metropolitan Opera New York debütieren, nachdem sie bereits alle wichtigen Bühnen in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich besucht hat. Wer wissen will, wie ein Sopran in reiner Form klingen kann, muss die Peretyatko hören.

Jetzt hat die Philharmonie Essen die Sängerin gemeinsam mit den Münchner Symphonikern unter der Leitung von Ola Rudner zu einer Operngala eingeladen. Präsentiert wird in nahezu zweieinhalb Stunden ein Programm, das sich weniger durch die „üblichen Opernschlager“ als vielmehr durch höchst anspruchsvolle Arien auszeichnet, die die ganze Bandbreite der Kunstfertigkeit von Olga Peretyatko zeigen. Nach einer sehr farbenfrohen, sehr italienisch gespielten Ouvertüre zu Gioacchino Rossinis La gazza ladra ist es endlich so weit. Mit rubinrotem, schulterfreiem Abendkleid und Hochsteckfrisur sehr festlich gekleidet, tritt die Sängerin selbstbewusst, grazil und hochkonzentriert auf. Während das Orchester Bel raggio lusinghier, die Kavatine der Semiramide aus der gleichnamigen Oper Rossinis, anspielt, gibt sich die bildhübsche Sängerin ein wenig selbstvergessen, den Blick in die Höhe gerichtet. Dann erklingt ihre helle, leuchtende Stimme, die in der Mittellage voll und rund klingt, um in den Höhen strahlend zu singen. Sie nimmt ihr Publikum mit auf eine Reise durch die deutsche, russische, französische und italienische Opernwelt. Von Rossini, Mozart – sic! – Donizetti, Bellini, über Rimski-Korsakow, Massenet, Gounod, Bizet bis hin zu Verdi und Arditi präsentiert Peretyatko anspruchsvollste Sangeskunst. Dass sie sich dabei auf Arien wie Ivan Sergeich, die Arie der Marfa aus Zarskaja nevesta von Nikolai Rimski-Korsakow, konzentriert, erlaubt ihr, ihre ganze Stärke und Brillanz in der Höhe auszuspielen. Hier kann manche Sängerin lernen, was eine Koloratur ist. Man kann von dieser Stimme nicht genug bekommen.

Ola Rudner leitet das Orchester mit ganzem Körpereinsatz und viel Verve. Die Münchner Symphoniker haben hörbar Spaß daran, die Peretyatko in ihrer Darbietung zu unterstützen. Aber auch die eigene Leistung ist ein großes Vergnügen. Eindrucksvoll das Solo von Marian Kraew. Der Erste Geiger präsentiert die Meditation aus Thaïs von Jules Massenet.

Die Winzigkeit eines Wermutstropfens gibt es im zweiten Teil, als die Peretyatko ganz in Tüll gehüllt die Bühne betritt. Für eine solche Robe kann sie gar nicht alt genug werden. Aber damit hat sich auch schon jede Kritik erschöpft. „Wissen Sie, was das Anstrengendste an einem solchen Auftritt ist?“ fragt Peretyatko das Publikum lachend. „Die hohen Hacken“, antwortet sie und zeigt ihre zwölf Zentimeter hohen High-heels. Sie ist eben keine Diva, sondern eine grandiose Sängerin mit Herz und Bodenhaftung. Nach wiederum tosendem Applaus zum Abschluss gibt es eine Zugabe. Und da zeigt sich, dass auch ein solch wunderbares Konzert einen „Opernschlager“ verträgt. Bei O mio babbino caro, der herzerweichenden Arie aus Puccinis Gianni Schicchi , muss doch der eine oder die andere eine Träne aus dem Augenwinkel wischen, weil solch ein schöner Gesang einfach rührt. Nach insgesamt drei Zugaben geht ein Abend zu Ende, der selbst für den zweiflerischen Mozartliebhaber nach eigenem Bekunden unvergesslich bleiben wird.

Michael S. Zerban

Fotos: Sven Lorenz