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Fakten zur Aufführung 

MAX UND MORITZ
(Edmund Gleede/Gioacchino Rossini)
31. März 2012
(Premiere)

Aalto Theater Essen

Points of Honor                      

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Kritzekratze

Obwohl heutzutage Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) und besorgte Eltern genau darauf achten, was den Sprösslingen vorgesetzt wird, sind solche eigentlich „schwarzpädagogischen“ Werke wie der Struwwelpeter und eben auch Max und Moritz, in dem die Übeltäter als Konsequenz für ihr Handeln zermahlen werden, aus den Kinderzimmern kaum wegzudenken. Solche Bedenken sollte man aber angesichts dieses Abends getrost beiseite lassen. In dieser Ballettkomödie kann man die Geschichte der beiden Schlingel aufgrund der liebevollen bunten Umsetzung, dem tänzerischen und darstellerischen Witz und der teilweise entschärfenden Ideen auch den Jüngsten zumuten. Obwohl man sich vor Beginn fragt, ob ein Max-und-Moritz-Ballett zur wild zusammengestellten Musik Rossinis überhaupt funktionieren kann, wird man am Ende dieses gelungenen Abends feststellen, dass man über solch eigentliche „No-Gos“ getrost hinwegsehen oder auch -lachen kann.

Die beiden Lausejungen entspringen im wahrsten Sinne des Wortes dem Werk Wilhelm Buschs. Ein überdimensionales Buch öffnet und beschließt die Bühnenhandlung, aus dem Max und Moritz und am Ende die geschrumpften Miniaturen der beiden hervorkommen. Die sieben Streiche haben je einen detailreich dekorierten Abschnitt, von denen einer nach dem anderen in den Vordergrund rückt. Das Interieur besticht durch eine Hommage an den geistigen Vater Wilhelm Busch, dessen Portrait oberhalb der Bühne trohnt. Besonders gefällt die Anlehnung an die bekannten Holzschnitte Buschs, die überall auf der üppig-bunten Bühne zu finden sind. Hier hat Manfred Waba großartige Arbeit geleistet. Auch die Kostüme von Friederike Singer scheinen direkt aus Kinder-Träumen geboren und finden ihren Ausdruck in phantastischen und einfallsreichen Details, wie beispielsweise den genialen Frisuren, den vielfarbigen und auch in der Bewegung immer gut sitzenden Kleidern und den phantasievollen Tierkostümen.

Michael Kropf schafft es, aus den jeweiligen Tänzern die passenden Schritte und auch darstellerischen Aspekte herauszukitzeln. Insgesamt ist die Choreographie frisch und frech und bietet ausreichend Soli, in denen die Tänzer sich von ihrer besten Seite zeigen können. So ergänzen sich beide Hauptdarsteller wunderbar und überbieten einander in atemberaubenden Sprüngen und verschmitzten Mimiken. Denis Untila als Moritz scheint ein weniger kecker im Ausdruck, während Breno Bittencourt als Max eine Nuance eleganter, aber nicht weniger liebenswert ist. Man kann den beiden Schelmen ihre Streiche gar nicht übelnehmen. Alena Gorelcikova als Witwe Bolte ist darstellerisch sehr vielfältig und tanzt die komische Rolle mit einer gekonnten Mischung aus Eleganz und Schrulligkeit. Das Ehepaar Böck mit Toshiro Abbley als Schneider und Yuila Tsoi als eifersüchtige Gattin überzeugen mit rasanten Einlagen und darstellerischer Kraft. Weitere begeisternde Soli zeigen Nour Eldesouki als grillenhafter Lehrer Lämpel, Wataru Shimizu als Spitz, Nwarin Gad als Bäcker und die beiden dickbäuchigen und damit äußerst komischen Marek Tuma als Bauer Meck und Alexey Irmatov als Meister Müller. Die vielen weiteren Hühner, Putzfrauen, Feuerwehr- und Heinzelmänner, Maikäfer, Schwäne und Enten bevölkern die Bühne mit abwechslungsreichen Bildern. Erwähnenswert sind die Kinder, die als Maikäfer, Enten und Schulkinder im Publikum sofort enormes Niedlichkeits-Wohlwollen abrufen. Seufzer des Entzückens gehen durch den Zuschauerraum, wenn sich etwa das kleine Käferchen auf den Rücken dreht und mit den Beinen zappelt. Sowohl die Kinder der Rhythmischen Sportgymnastik des ETB Schwarz-Weiss Essen, der Aalto Kinder- und Jugendchor als auch Schüler des Gymnasiums Essen-Werden zeigen eine beeindruckende Leistung und keine Spur von Aufregung.

Den richtigen Schwung bekommen die Tänzer auf der Bühne aus dem Orchestergraben. Volker Perplies lässt zusammen mit den Bochumer Symphonikern Rossinis Musik so richtig spritzen und man merkt, dass auch die Musiker mit Spaß bei der Sache sind. Obwohl man anfangs Angst hat, dass ein Potpourri aus entkontextualisierten Opernouvertüren und Ballettmusiken nicht passt, geht die Musikauswahl erstaunlicherweise auf. Insgeheim kann man den Einsatz von Steppschuhen und wilden Sprüngen zur fetzigen Musik Rossinis auch genießen. Ausnahmsweise.

Auch wenn das gesprochene oder gesungene Wort weitgehend nicht stattfindet, hört man den Text, den so viele noch auswendig können und der passenderweise auch im Programmheft abgedruckt ist, still im Kopf mit. Das war zum Glück noch nicht der letzte Streich.

Das Publikum ist von der bunten und der Vorlage weitgehend treu bleibenden Umsetzung begeistert und lässt sich sogar dazu hinreißen, passend zu den letzten schmissigen Rossini-Klängen im Takt zu klatschen. Das gesamte Ensemble, allen voran das Orchester und Max und Moritz, wird enthusiastisch beklatscht und bejubelt.

Das ist wirklich mal ein Ballett für FSK 0-99. Witzig und mit einem gewissen Hauch Wehmut bei den Erwachsenen, weil sie an die wunderbar ironischen Verse Wilhelm Buschs denken, die ihnen die Kindheit versüßt haben.

Miriam Rosenbohm

 

Fotos: Mario Perricone