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Fakten zur Aufführung 

DIE FRAU OHNE SCHATTEN
(Richard Strauss)
21. Juli 2013
(Premiere am 12. September 1998)

Aalto-Theater, Essen


Points of Honor                      

Musik

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Stefan Soltesz nimmt Abschied

Der Dirigent hat Großes geleistet: Seit 1997 ist er Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker und Intendant des Aalto-Theaters. Unter seiner Ägide erhielten das Aalto-Musiktheater und die Essener Philharmoniker zahlreiche Auszeichnungen, wie zum Beispiel 2008 die Ernennung zum „Opernhaus und Orchester des Jahres“. Die Stadt Essen erlangte Bekanntheit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus, und die Auslastung der Häuser erreichte ihren Höhepunkt. 2009 erhielt Soltesz die Ehrenauszeichnung „Bürger des Ruhrgebiets“. Dabei arbeiteten Soltesz und die Essener Lokalpolitik in den vergangenen 16 Jahren nicht immer Hand in Hand. Doch wo liegen sich Kultur und Politik schon ausdauernd in den Armen?

Als Außenstehender darf man sich somit wundern, weshalb Soltesz nach so vielen erfolgreichen Jahren Essen verlässt, warum sein Vertrag einfach auslief. An mangelndem Rückhalt in der Bevölkerung kann es nicht gelegen haben. Bei seiner letzten Vorstellung im Essener Aalto-Theater wird nämlich eines klar: Das Publikum liebt Soltesz! Bereits vor Beginn der Vorstellung säumen lautstarke Beifallsbekundungen seinen Weg zum Dirigentenpult.

Soltesz hat sich als Richard-Strauss-Dirigent einen Namen gemacht; daher wundert es nicht, dass er eines seiner bedeutendsten Werke zum Abschluss seiner Essener Ära auf die Bühne bringt: Die Frau ohne Schatten, zweifellos ein künstlerisch und inhaltlich schwer zu vermittelndes Werk, das 1919, also im Ersten Weltkrieg, entstanden ist. Das ist phantastische Musik, und der Einsatz von Leitmotiven und psychologischen Nachzeichnungen der Protagonisten in der Musik sind wunderbar. Dabei ist die Frau ohne Schatten vor allen Dingen eine Dirigenten-Oper. Musikalische Klangfülle, Gesang und szenisches Spiel müssen miteinander gleichberechtigt vereint werden.

Die Wiederaufnahme in Essen stammt von 1998, Inszenierung und Bühnenbild lagen in der Hand von Fred Berndt. Dem Titel der Oper nicht entsprechend, hat diese Inszenierung keine Maßstäbe gesetzt und wird somit keinen Schatten auf nachfolgende Inszenierungen werfen. Einer der beeindruckenden Momente ist der Schluss des zweiten Aktes, wenn die Handlung der Katastrophe entgegen geht: Da schließt sich der eiserne Vorhang, die Metallwand, die Bühnenhaus und Zuschauerraum in zwei Brandabschnitte teilt. Die letzten Züge der Musik dröhnen übergangslos über Lautsprecher in den Zuschauerraum, die Metallwand ist mystisch angestrahlt.

Es ist eine voller Symbolik aufgeladene Märchenwelt, die den Zuschauern hier seit vielen Jahren angeboten wird. Mit einem Kaiserpaar, einem Färberpaar in einer Art realen Welt und einer Amme im Mittelpunkt der Geschichte. Die Kaiserin braucht einen Schatten, die Färberfrau, ihres Alltags überdrüssig, bietet ihren feil. Die Liebe ist das höchste Gut in dieser Gesellschaft und findet ihre Erfüllung in Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft.

Die Solistinnen des Abends sind vor allen Dingen eines: laut. In veralteter Opernmanier heißt es hier vornehmlich, die Möglichkeiten eines Soprans in der Höhe zu produzieren, ohne einen Penny auf die Verständlichkeit zu geben. Selbst wenn die Höhe längst nicht mehr so lang gehalten werden kann, wie das noch bei der Premiere des Stücks möglich gewesen wäre. Das Fehlen von Übertiteln gerät damit zur arroganten Überheblichkeit. Gerade im zweiten Akt kann man sich des Gefühls nicht erwehren, einem Wettkampf zwischen Orchester und Sängern beizuwohnen. Anders die männlichen Gesangssolisten: Jeffrey Dowd gibt den Kaiser und zählt wie auch Rainer Maria Röhr und Marcel Rosca zur Originalbesetzung von 1998. Franz Grundheber interpretiert Barak, den verzweifelten Färber, eindrücklich. Der Bariton strahlt eine souveräne Reife sowohl im Gesang als auch im Spiel aus, die nicht nur an diesem Abend einzigartig ist. Doris Söffel gibt im tragenden Part der Amme der Dramatik erst ihren Lauf. Die Kaiserin, gesungen von Silvana Dussmann, will ihren Zwiespalt und die Mühen des Menschwerdens im dritten Akt ausleben. Der Geisterbote, Marcel Rosca, versinkt im schillernden Kostüm von Dorothée Uhrmacher. Eine Kreuzung von Imker-Hut und Fechtmaske verdeckt sein Gesicht gänzlich.

Der Chor unter der Leitung von Alexander Eberle ist nur in kurzen Ausnahmen auf der Bühne versammelt und agiert meist von der Seite. Auch die Damen und Herren des Chors haben Mühe, gegen das überschäumende, klangvolle und tonangebende Orchester anzukommen. Doch letztlich besetzen alle Sänger und Darsteller an diesem Abend Nebenrollen; der wahre Star ist Stefan Soltesz im Orchestergraben. Kein Moment, an dem Soltesz in Erscheinung tritt, bleibt beim Publikum unkommentiert: Im voll besetzten Zuschauerraum brodelt es, man jubiliert und klatscht, was das Zeug hält, um eines zu bekunden: Soltesz hat einen eindrucksvollen Schatten geworfen.

Jasmina Schebesta

Fotos: Bernd Schmitt