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Fakten zur Aufführung 

LA FORZA DEL DESTINO
(Giuseppe Verdi)
8. September 2012
(Wiederaufnahme von 2007)

Aalto-Theater Essen


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Macht und Ohnmächtige

Wenn gegen Ende des ersten Bildes der grimmige, unbelehrbare Vater aus der Dynastie der Calatrava und der von Herkunft und Gestalt nicht akzeptable Alvaro mit dem Säbel auf einander losgehen, wird den Zuschauern schnell klar: Hier geht es – wieder einmal – um Familienehre, Stand, Fluch, Blutrache, Todessehnsucht, Schuld und Sühne, um die ganz normale Geschichte einer Adelsfamilie im Spanien um 1850. Dramatisches kündet sich an mit Liebesschwüren, ewiger Treue, Verrat, Sühne, Rache, aber auch mit alkoholischen Exzessen, hysterischen Ausbrüchen und inbrünstigen Gebeten – die unergründliche Macht des Schicksals eben. Hierin verwoben sind die Mächtigen der Zeit und die Ohnmächtigen, Heilige und Sünder, Mönche, Landsknechte, Lebende und Tote. Ein solches Libretto, gelegentlich schwer zu überschauen, kann und sollte nicht aktualisiert werden. Hilsdorfs Regie und Leiackers Bühnenbild versuchen auch nicht, dieses Zeitgemälde zu modernisieren. Der erfahrene Dietrich W. Hilsdorf hat sich in seiner Inszenierung eng an das Libretto von Piave/Ghislanzoni gehalten, die ausufernde Familiengeschichte und das Figurentableau ein wenig gestrafft. Er platziert die 1869 entstandene Verdioper in der Mailänder Fassung nahe ihrer Entstehungszeit und übernimmt die sozialpolitischen und ethischen Probleme der Zeit. Hierfür hat Johannes Leiacker eine Bühne gestaltet, auf der das großzügige Säulenportal einer spanischen Villa als Rahmen ausreicht, um mit kleinen Versatzstücken und Accessoires die unterschiedlichen Orte der Handlung zu charakterisieren. So entstehen im gleichen Rahmen das Haus des Marchese, die bigotte Szene eines lustigen Leichenschmauses, ein kriegsnahes Lazarett oder die dunkle Stimmung der verhüllten Kapuziner. Renate Schmitzer ergänzt diese Bilder wirkungsvoll durch einfache, aber stilsichere Kostüme bei Solisten und Chor.

Galina Shesterneva beeindruckt mit einer klaren, präsenten, hoch dramatischen wie verzweifelt zurückgenommenen Stimme, die der Leonora überzeugende Emotionen gibt. In der Rolle des Don Carlos zeigt der Bariton Carlos Almaguer eine sichere, klangreiche und emotionale Partie, die gut zu seiner Darstellung passt. Marcel Rosca als Marchese und zwielichtiger Vater Leonoras changiert in unterschiedlichen Charakteren mit ausdrucksstarkem Bass, der der mehrdeutigen Figur des Familiendespoten gut entspricht. Daniel Magdal bietet mit tenoraler Stimme einen überzeugenden Kontrast und meistert Solopartien und Duette überzeugend. Die übrigen kleineren Partien überzeugen eine wie die andere mit bester Gesangsqualität und viel Spiellust. Ob man sich mit der etwas gegen den Strich gebürsteten erblondeten Preziosilla von Yaroslava Kozina, Mezzosopran, anfreunden kann, ist Geschmacksache. Ihre bewusst überzogene Darstellung schießt schon einmal übers Ziel hinaus. Der von Alexander Eberle einstudierte Chor unterstützt die wechselnden Stimmungen der Aufführung nachhaltig, auch wenn man ihn sich in einigen Passagen noch mächtiger gewünscht hätte.

Die Essener Aufführung bringt die mehrdeutige Zerrissenheit der spanischen Stadtgesellschaft des 19. Jahrhunderts, verfallen in Selbstliebe und Aberglauben, überzeugend und lebendig auf die Bühne. Getragen wird sie von einer kraftvollen, emotional vorgetragenen Musik Verdis, deren Zeitlosigkeit sich wieder einmal bestätigt, und deren Attraktivität, Dramatik und Wohlklang Solisten, Orchester und Chor unter Giacomo Sagripantis Leitung mit Lust und Temperament präsentieren.

Eine stimmungsvolle, mit viel Tempo und heftigen Emotionen gespielte Aufführung wird von den Zuschauern mit rauschendem, lang anhaltendem Beifall gefeiert, - ein gelungener Abend.

Horst Dichanz

Fotos: Thilo Beu