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Fakten zur Aufführung 

ALLELUJA
(Wubkje Kundersma, Sasha Riva, Marc Jubete, John Neumeier)
21. April 2014
(Einmaliges Gastspiel)

Philharmonie Essen,
Alfried-Krupp-Saal


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Nachwuchs-Elite in Klang und Bewegung

In über 133 Arbeitstreffen hat sich das Bundesjugendorchester seit seiner Gründung vor 45 Jahren zu einer wertvollen Talentschmiede des Orchesternachwuchses entwickelt. So tief verwurzelt in unserem Bewusstsein ist das vor erst drei Jahren von John Neumeier ins Leben gerufene Bundesjugendballett noch nicht. Umso größere Bedeutung kommt der ersten gemeinsamen Tournee der beiden Gruppen zu, die durch fünf Städte des Landes führt. Nach der Premiere in Baden-Baden gastieren die jungen Künstler jetzt in der Essener Philharmonie. Auftritte am 25. April in der Kölner Philharmonie, am 2. Mai in der Hamburgischen Staatsoper und zum Abschluss am 4. Mai in der Berliner Philharmonie zusammen mit Simon Rattle folgen.

Ein großes Orchesterwerk und drei Tanzstücke vereinigen sich um das etwas nebulöse Motto Alleluja zu einem abwechslungsreichen Programm, das einen Bogen vom menschlichen Sündenfall bis zur christlichen Osterbotschaft spannen soll.

Das Orchester reist in großer Besetzung, das Ballett etwas bescheidener mit acht Tänzern, jeweils vier jungen Damen und Herren im Alter von 18 bis 23 Jahren. Das Ballett kann nur selten in großen Theatern auftreten und muss sich meist mit Konzertbühnen begnügen, tritt aber auch gern an ungewöhnlichen Orten wie Schulen, Krankenhäusern und Gefängnissen auf. An beengte Verhältnisse ist man also gewöhnt.

Angesichts solcher Erfahrungen reicht der schmale Platz auf der in das gut besetzte Parkett der Essener Philharmonie hineinreichenden Bühne aus. Dahinter postiert sich das Orchester, das den ersten Teil des Abends allein gestaltet. Und das mit einem richtigen Knaller.

Bernd Alois Zimmermanns Ballett-Suite Alagoana – Caprichos brasileiros lässt Vorstellungen und Visionen des Komponisten, der Brasilien nie bereist hat, aufklingen, die ihn zu einem bis zur Brutalität urwüchsig ansteigenden, Strawinskys Sacre durchaus würdigen Klanggemälde von unbändiger Vitalität inspirierten. Eine Reflexion brasilianischer Naturmythen, ebenso elementar zupackend wie raffiniert gestrickt. Ein hoch virtuoser Vulkan mit schroffen Stimmungs- und Klangwechseln, die dem Orchester ein Höchstmaß an Spielfertigkeit und Konzentration abverlangen. Beeindruckend, dass sich die blutjungen Musiker unter der Leitung von Alexander Shelley von den Schwierigkeiten der komplexen Partitur nicht im Geringsten verunsichern lassen und mit einer geradezu stupenden Souveränität und ansteckenden Begeisterung die Philharmonie in einen sinfonischen Hexenkessel verwandelt. Bereits hier hält es das Publikum kaum auf den Sitzen.

Drei denkbar unterschiedliche Choreografien folgen nach der Pause, die zugleich drei grundsätzliche Ausdrucksformen des klassischen und modernen Tanzes höchst originell beleuchten. Den Anfang machte ein kleines Handlungsballett der Niederländerin Wubkje Kuindersma mit einer verspielten, ironisch gefärbten Version von Goethes Zauberlehrling zur kongenialen Musik von Paul Dukas. Die sich steigernden Bewegungsabläufe der Handlung animieren die Choreografin zu einfachen, gleichwohl tänzerisch anspruchsvollen Lösungen, die die jungen Künstler nicht weniger engagiert umsetzen als die Musiker die prachtvolle Partitur.

Kraft aus Stille und Starre bezieht als Kontrapunkt zum lockeren Auftakt das Choreografen-Duo Sasha Riva und Marc Jubete aus James MacMillans strenger Fantasie Exsultet in einer noch eindringlicheren Fassung für sinfonisches Blasorchester. Eine nicht ganz durchsichtige Studie um die Brüchigkeit menschlicher Beziehungen, die von dunklen Mächten bedroht werden und für die die Choreografen auf mehr oder weniger bewährte Muster des modernen Ausdruckstanzes zurückgreifen.

Schatten, die sich mit dem letzten Stück, einer Arbeit von John Neumeier, rasch verflüchtigen. Die Choralzitate in Haydns Symphonie Nr. 30 deutet Neumeier als Vorboten eines anbrechenden, österlichen Frühlings. Entsprechend leichtfüßig in bester klassischer Tradition, auf Spitze und mit feinen Pas de deux, tanzen die acht jungen Leute über die schmale Bühne. Eindrucksvoll, mit welcher Sicherheit das Ensemble die unterschiedlichen Anforderungen der drei Stücke umsetzt.

Das Publikum reagiert begeistert, erst recht nach einer überschäumenden Tanzeinlage aus der West Side Story als Zugabe. Allerdings ein Abend, der auf einer großen Bühne noch stärkere Eindrücke hinterlassen könnte.

Pedro Obiera

 

Fotos: Philharmonie Essen