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Fakten zur Aufführung 

GRÄFIN MARIZA
(Emmerich Kálmán)
5. Januar 2013
(Premiere am 8. Dezember 2012)

Theater Erfurt


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Die Leichtigkeit des Sehnsuchtswalzers

Guy Montavon, Generalintendant des Theaters Erfurt, gibt mit seiner Inszenierung von Emmerich Kálmáns Operette Gräfin Mariza ein bemerkenswertes Regiedebüt in diesem Genre. Er nähert sich der Thematik mit einer besonderen Erzählweise. Es sind Emotionen wie Sehnsucht, Stolz und verletzte Eitelkeit, die im Vordergrund stehen und von Montavon feinfühlig und mit großem Gespür für das Theater inszeniert werden. So umschifft er die gefährlichen Klippen zum Kitsch und Klamauk und spielt stattdessen mit den gängigen Operettenklischees, indem er sie liebevoll und mit einem Augenzwinkern präsentiert. Illusion und Desillusion, Schein und Sein stehen in einem ständigen Gegeneinander. Herausgekommen ist ein prachtvolles Revuetheater im Stil der 1920-er Jahre; spritzig, witzig und ohne Operettennostalgie, dafür ein sinnliches Erlebnis für Augen und Ohren.

Es beginnt simpel, und es endet simpel. Tassilo, der verarmte Adlige, hat sich inkognito als neuer Verwalter bei der reichen Gräfin Mariza anstellen lassen, um dort die Ausbildung und Mitgift für seine Schwester Lisa zu verdienen, die von der ganzen finanziellen Misere ihrer Familie nichts ahnt. Und so steht Tassilo allein auf der Bühne, ein Bahngleis führt in den Nebel, und voller Melancholie erinnert er sich an sein altes Leben in Wien. Doch dann kommt aus dem Nebel ein Eisenbahnwaggon, darin der Budapester Adel, und mittendrin Gräfin Mariza, die ihren aufdringlichen Verehrern mittels einer Scheinverlobung mit dem Baron Koloman Zsupán, der Figur aus der Strauß-Operette Der Zigeunerbaron, zu entfliehen versucht. Und jetzt entwickeln sich die Bilder, gewinnt die Revue an Dramaturgie und Spannung. Während des Auftrittsliedes der Gräfin Mariza Höre ich Zigeunergeigen schweben aus der Luft etwa zwei Dutzend Geigen herab, eine liebevolle Visualisierung des Zitates Der Himmel hängt voller Geigen. Montavon bewegt sich hier wie dort auf einem schmalen Grat zwischen Kitsch und Operettenseligkeit, aber seine Einfälle sind einfach so passend und schön, dass man dieses Spiel der Klischees gerne annimmt.

Auch die Operettenfigur Koloman Zsupán erscheint tatsächlich, in schicker Husarenuniform kommt er auf einem Schwein hereingeflogen. Diese Szene ist so grotesk, dass sie schon wieder als genialer Regieeinfall bezeichnet werden kann. Im zweiten Akt, der in einem Jugendstiltheaterpalast spielt, erreicht die Revue ihren Höhepunkt. Sehnsuchtswalzer und Foxtrott, Slow-Fox und Boston, Jazz und Blues sind Ausdruck eines Lebens- und Liebesgefühls, das nichts an Aktualität verloren hat. Höhepunkt ist der Abgang von Zsupán auf seinem Schwein Istvan, aber diesmal mit seiner Lisa, die er für sich gewonnen hat, nachdem er bei der Mariza nicht landen konnte.

Der dritte Akt holt die Akteure durch den Auftritt der reichen Tante und ihres Kammerdieners wieder in die harte Realität zurück. Fürstin Cuddenstein hat alle Schulden Tassilos bezahlt, ihm dadurch auch wieder die eigene Identität als Edelmann zurückgegeben, und sie hat die „Kulissen“ gekauft. Und hier erweist sich Montavon erneut als Fachmann für Theaterregie. Noch während das Stück läuft, kommen die Bühnenarbeiter auf die Bühne, rollen den Teppich ein, und die Kulissen entschwinden in den Operettenhimmel. Und so schließt sich der Kreis, am Ende ist Tassilo wieder allein, der Eisenbahnwaggon ins Nichts abgefahren. Doch was wäre die Operette ohne ein Happy-End. Gräfin Mariza kommt zurück, und am Ende, nach einer Reihe von Missverständnissen, ist der verletzte Stolz beider geheilt. Und über das letzte Liebesduett senkt sich langsam der Vorhang.

Montavons Operettenregiedebüt hat allerdings auch großartige Unterstützung bekommen, ohne die dieser Erfolg nicht denkbar gewesen wäre. Da sind zu einem die opulenten und prachtvollen Bühnenbilder und Requisiten von Hartmut Schörghofer, dazu die stilvollen und farbenträchtigen Kostüme von Roswitha Thiel - vielleicht mit Ausnahme der Figur des Tassilo, der mit seinem lässigen Outfit doch etwas aus dem Rahmen fällt. Die Choreografie von Götz Hellriegel fordert in dieser Inszenierung nicht nur den Chor, hier müssen alle Akteure tänzerisches Können beweisen, vom klassischen Walzer bis hin zum Fox und Boston der 1920-er Jahre.

Die musikalische Leitung hat der junge Dirigent Johannes Pell übernommen, der ebenfalls sein Mariza-Debüt gegeben hat. Er führt das Philharmonische Orchester Erfurt sicher durch die Klippen der Partitur mit den vielen Tempo- und Rhythmuswechseln, und gibt den Sängern den notwendigen Spielraum. Noch fehlt ihm aber etwas die Leichtigkeit des Dirigates, ein gewisser Schmäh, der für die Operette so typisch ist. Ein Sonderlob hat sich Roland Rohde für seine intensiven und melancholischen Geigensoli auf der Bühne verdient. Der Opernchor des Theaters Erfurt ist musikalisch bestens von Andreas Ketelhut einstudiert und hat offensichtlich große Freude am opulentem Spiel und Tanz.

Ilia Papandreou in der Titelrolle gibt sängerisch und optisch eine wunderbare Gräfin Mariza. Sicher in den Höhen, dramatisch im Spiel und lyrisch zärtlich im Duett, sie zeigt alle Facetten, die diese Partie verlangt. Steffen Schantz ist ein sehr lyrischer Tassilo, ohne große Operettenattitüde, etwas zurückhaltend im Spiel, aber musikalisch und in der Intonation sicher und ausdrucksstark. Daniela Gerstenmeyer als seine Schwester Lisa ist eine zuckersüße Operettensoubrette, kokett und mit hellem Sopran, für dieses Fach eine Idealbesetzung. Abräumer des Abends jedoch ist der Tenor Jörg Rathmann als Zsupán. Sängerisch, spielerisch, tänzerisch und optisch der Inbegriff des Operettenbuffos. Dario Süß als Fürst Moritz Dragomir Populescu imponiert mit dröhnendem Bass und gelacktem Spiel, während Mireille Lebel als die junge Zigeunerin Manja mit warmem Mezzogesang aufhorchen lässt. Helga Ziaja als Fürstin Cuddenstein und Reinhard Friedrich als ihr Kammerdiener Penicek komplettieren das Ensemble mit Witz und Temperament.

Am Schluss gibt es großen Beifall für alle Protagonisten, und an den Gesichtern der Zuschauer erkennt man eine gewisse Glückseligkeit, die dieser Abend vermittelt hat.

Andreas H. Hölscher

 

Fotos: Lutz Edelhoff