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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
11. Oktober 2011
(Premiere)

Stadsschouburg Enschede


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Der Drache erscheint, es poltert und kracht

Dunkel schaut der runde Drachenkopf aus dem Hintergrund der Bühne, die Augen blicken kalt, drohend natürlich, und als er dann noch mit riesigen Pranken polternd durch das Mauerwerk bricht, sticht Siegfried zu - die Augen verlöschen, verglimmen…

Ähnlich “realistisch“ werkelt im ersten Aufzug der Zwerg Mime an Amboss und Esse, wachsen riesige Baumstämme im zweiten Aufzug Alberich und dem Wanderer entgegen und wird in einem Zwischenbild Erda in ihrem blauen Schlafgemach vom Wanderer um ihren Schlaf gebracht. Lediglich der dritte Aufzug mit seinen Schwertern, die sparsam um einen Felsen aus dem Boden wachsen, wo Siegfried Brünnhilde vor der Felsenhöhle findet, erlaubt und verlangt  Offenheit und Phantasie der Zuhörer. Vor dem Hintergrund der Sagen- und Märchenwelt des Wagnerschen Libretto lässt die „realistische“ Inszenierung in drei Aufzügen und vier Bildern den Zuschauer etwas ratlos sitzen. Das gilt auch für den Kinderwagen, der mit Mimes Auftritten durch die Szenen rollt und wohl die ungeklärte Herkunft des Siegfried symbolisieren soll, rätselhaft. Die Figuren sind historisch gezeichnet, lediglich der Wanderer in seiner Anlage als Geheimagent mit langem Mantel und Schlapphut fällt aus diesem Kontext und befremdet erheblich.

Ed Spanjaard, musikalische Leitung, und Antony McDonald, Regie, haben sich der Originalfassung zugewandt und den Siegfried in deutscher Sprache aufgeführt. Obwohl zahlreiche Besucher im deutsch-niederländischen Sprachraum von Enschede Deutsch und Niederländisch verstehen oder sprechen, ist die Übertitelung in Deutsch und Niederländisch notwendig und eine große Hilfe. Dem deutschen Zuhörer führt das Gegenüber von niederländischen und deutschen Übertiteln die Absonderlichkeit der historisierenden Sprache Wagners besonders deutlich vor Augen – keineswegs ein Vergnügen. 

Die Stimme des Wanderers von Harry Peeters, Bass, verleiht dieser Figur das erforderliche musikalische Gewicht und füllt mit angenehmem Volumen die Szene. Mit Adrian Thompson als Mime und Nicholas Folwell als Alberich begegnen sich auf der Bühne zwei sehr unterschiedliche Stimmfärbungen. Thomspons Mime scheint auch im Gesang nicht aus seiner Werkstatt herauszukommen und klingt häufig hart, fast metallen, Folwells Alberich bleibt auch in höheren Lagen weich, er lässt Zeit und Raum für eigene Empfindungen. Den vollen Bass des Fafner, gesungen von dem Finnen Mika Kares, hätten sich manche Zuhörer noch länger auf der Bühne gewünscht, als die Handlung es zulässt. Die beiden Frauenstimmen Brünnhild mit Judith Nemeth, Mezzosopran, und Erda mit Mezzosopranistin Ceri Williams meistern ihren Tonumfang ohne Mühe und füllen ihre dramatische Aufgabe souverän. Mati Turi gibt einen Siegfried, dem man die Erfahrung anmerkt. Ihm gelingt es, das „Heldische“ der Figur glaubhaft zu intonieren, auch wenn seiner Stimme etwas Glanz fehlt. Die Anlage des Siegfried als leicht tumbem Tor ist eher der Regie als dem Sänger geschuldet und wirkt häufig aufgesetzt. Ein belebendes Element der Aufführung sind die beiden Waldvögel, die farblich, choreographisch und – nur selten – stimmlich diese Inszenierung deutlich aufhellen.

Mit dem Regionalorchester Orkest van het Oosten hat Ed Spanjaard einen Klangkörper zur Verfügung, mit dem er das Volumen und die Ansprüche Wagnerscher Musik voll ausloten kann. Dieses Großorchester mit vier Harfen und acht Kontrabässen zieht die feinen Stimmungslinien im Wald des zweiten Aufzuges ebenso klar wie die donnernden Akzente des herannahenden Gewitters und bindet die vielen Soli, aber auch, wie in der Schlussszene, die Duette musikalisch effektvoll aneinander. Ed Spanjaard gilt in den Niederlanden als Wagnerspezialist, er stellt dies mit der Siegfried-Aufführung eindrucksvoll unter Beweis.

Nachdem in den vorherigen Spielzeiten Das Rheingold und  Die Walküre auf dem Spielplan standen, folgt mit der Siegfried-Aufführung  in Enschede nach Wagner „der zweite Tag aus der Trilogie Der Ring des Nibelungen“. Die Nationale Reisopera beschließt mit der Götterdämmerung am 30. September 2012 den Zyklus des Ring. Die diesjährige Siegfried-Aufführung wurde außerdem am 1.10.20111 vom Sender NTR Radio vier gesendet. Die Nationale Reisopera fügt den Ring-Aufführungen vier ausführliche Programmbücher und ein zweisprachiges Libretto hinzu, für 2012 ist ein Fotoband aus allen Vorstellungen angekündigt.

Die Nationale Reisopera, eine vom niederländischen Kulturministerium unterstützte Organisation, geht jährlich mit vier bis sechs Produktionen auf Tournee durch die Provinzen, um Operetten oder „leichte Opern“ aufzuführen. Mit der Siegfried-Aufführung aus dem Ring hat die Nationale Reisopera einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Werke Richard Wagners breiten niederländischen Schichten bekannt zu machen. Das ist musikalisch gut gelungen. Dagegen zeigen die Gesamtinszenierung und die Führung einiger Personen Brüche auf, die nicht überzeugen und den Zugang zum Stoff dieser „deutschen“ Oper für Opernfreunde aus Nachbarländern eher erschweren.

Horst Dichanz

Fotos: Marco Borggreve