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Fakten zur Aufführung 

DIE HOCHZEIT DES FIGARO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
18. Februar 2012
(Premiere)

Landestheater Eisenach


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Im Labyrinth betörender Gefühle

Graf Almaviva hat keine rechte Lust mehr auf seine Gräfin. Sein Objekt der Begierde ist Susanna, die Kammerzofe der Gräfin. Sie wird zum Ziel seiner lüsternen Attacken, während er gleichzeitig seine eigene Frau in rasender Eifersucht in flagranti zu ertappen hofft. Die emotional hoch aufgeladene Situation droht komplett zu entgleiten, da der liebestaumelnde, pubertierende Page Cherubino immer im falschen Moment allen Frauen seine Avancen macht und den Grafen dabei schier zur Verzweiflung treibt. Und Figaro, der Biedermann, merkt erst sehr spät, welche Spielchen um ihn herum getrieben werden.

Eisenach erlebt mit der Premiere von Mozarts Hochzeit des Figaro eine Wiederauferstehung der opera buffa im klassischen Sinne. Im Vordergrund steht das komödiantische Wechselspiel von Verliebtheit und Enttäuschung, von Begierde und Verzweiflung, von Lust und Frust, von Eifersucht und Intrige. Kurzum, alle menschlichen Abgründe tun sich auf, und werden doch nur an der Oberfläche betrachtet. Regisseur Georg Blüml und die Ausstatterin Kerstin Jacobssen zeigen Die Hochzeit des  Figaro auf einer schlichten, aber funktionalen Bühne mit drei Wänden und zwei Türen, was dieser Inszenierung aber zu Gute kommt. Die historisch anmutenden Rokoko-Kostüme fügen sich optisch wunderbar ins Geschehen ein. Die gelungene Personenregie, die ein aufwändiges Bühnenbild überflüssig macht, zeigt die Beziehungsgeflechte zwischen den einzelnen Protagonisten auf.

Lusttoll und lustvoll wird agiert, aber im entscheidenden Moment, wo die Katastrophe droht, ist Blüml nicht konsequent und belässt es bei den Andeutungen. Am Schluss löst sich dann alles in Wohlgefallen auf. Die deutsche Übersetzung von Mark Schönwasser-Görke und die Straffung der Rezitative trägt deutlich zur Kurzweiligkeit des Abends mit bei. Köstlich auch der Regieeinfall, für die Schlussszene sechs Kugelbäumchen auf die Bühne zu bringen, die den Protagonisten als Versteck dienen und das Spiel „Bäumchen wechsle dich“ in persiflierender Form als commedia per musica inszenieren.

An diesem Abend ragen aus dem Sängerensemble zwei Solisten heraus. Maria Rosendorfsky als Susanna ist die Hauptfigur, um die sich alles dreht. Sie erträgt geduldig die sexuellen Avancen des Grafen, von Cherubino und Don Basilio. Sie lenkt das Spiel von Begierde und Zurückweisung geschickt bis hin zum finalen Happy End. Ihre schön geführte Sopranstimme kommt vor allem in ihrer großen Arie Endlich naht sich die Stunde im vierten Akt zur Geltung, die sie mit großer Innigkeit und Wohlklang gestaltet. Bryan Rothfuss als Graf Almaviva ist mit seiner aristokratischen Ausstrahlung optisch wie stimmlich eine Idealbesetzung. Er ist der Verführer par excellence, dem man seine schmeichelnden Liebesschwüre als auch seine rasende Eifersucht abnimmt. Sein galanter Bariton, der noch deutliches Entwicklungspotenzial hat, entfaltet sich besonders in der großen Entbehrungsarie im dritten Akt. Doch sein größter Moment ist zweifelslos die Schlussszene, wo er vor seiner Gräfin auf die Knie sinkt und sie um Verzeihung bittet. Hier weicht der aristokratische Habitus einer tiefen menschlichen Geste. Camila Ribero-Souza als Gräfin überzeugt darstellerisch als eine in der Liebe vernachlässigte und in ihrem Gefühlsleben gekränkte Persönlichkeit, die zu Recht um die anhaltende Liebe und Begierde ihres ruchlosen gräflichen Gatten bangt. Sängerisch liegen ihre Stärken in den leisen, lyrischen und innigen Momenten, während die Stimme in ihren Ausbrüchen und in den intensiven Höhen eine unangenehme Schärfe erfährt und zuweilen fast schrill klingt. Ernst Garstenauer gibt den Figaro in Spiel und Gesang als alternden Biedermann, dem man das Liebesglück mit Susanna nur schwer abnimmt. Einzig in seiner Arie zu Beginn des vierten Aktes, die er mit großer Intensität singt, lässt sein sonorer Bariton aufhorchen. Carolina Krogius als Cherubino überzeugt als lüsterner und ständig grabschender pubertierender Page, vor dem kein Rockzipfel, keine Brust sicher ist. Ist es Zufall, dass Cherubino im Auftreten an Wolfgang Amadeus Mozart  in Milos Formans Film Amadeus erinnert? Ihrem jungen Mezzosopran fehlt es noch etwas an Intensität und Durchschlagkraft. Die weiteren Solisten fügen sich optisch und stimmlich in das insgesamt gut disponierte Sängerensemble ein, aus dem Roland Hartmann als Gärtner Antonio stimmgewaltig herausragt. Der Chor, einstudiert von Sierd Quarré, ist stimmlich und darstellerisch gut präsent. Insgesamt überzeugt das gesamte Ensemble durch spielerische Intensität und trägt damit zu einem kurzweiligen und lustvollen Abend bei.

Die Landeskapelle Eisenach unter der Leitung von Alexander Steinitz, der kurzfristig für den erkrankten Carlos Dominguez-Nieto eingesprungen ist, spielt einen leichten, luftigen Mozart. Die sinnliche, erotisierende Musik Mozarts ist transparent mit schwungvollen Bögen und Phrasierungen und macht die Aufführung zu einem kammermusikalischen Genuss. Besonders gefällt das Cembalospiel, das die Rezitative kunstvoll untermalt.

Nachdem sich das Labyrinth betörender Gefühle am Schluss in vollendete Harmonie fügt, hält es das Eisenacher Publikum nicht mehr in den Sitzen. Großer Jubel und standing ovations am Schluss für das ganze Ensemble, das mit dieser Inszenierung bereits im September vergangenen Jahres in Meiningen einen großen Erfolg feiern konnte. Schade, diese Vorstellung hätte ein ausverkauftes Haus verdient. Man kann für die Zukunft und für dieses wunderschöne Haus in Eisenach nur wünschen, dass die Kooperation mit Meiningen weiterhin solche Aufführungen ermöglicht.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Foto ed Meiningen