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Fakten zur Aufführung 

DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN
(Emmerich Kálmán)
12. Juli 2012
(Premiere am 28. April 2012)

Landestheater Eisenach


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Es war nur ein Rausch

Das gängige Bild der Operette ist gekennzeichnet durch opulente Kostüme, schwülstige Libretti, champagnerselige Melodien und Pointen, die zum Schenkelklopfen einladen. Wer das sucht, ist in Eisenachs Csárdásfürstin fehl am Platz. In einer Koproduktion mit dem Meininger Theater präsentiert das Landestheater Eisenach eine von den gängigen Klischees entstaubte, ja befreite Operetteninszenierung. Der junge Regisseur Rudolf Frey zeigt die Csárdásfürstin am Vorabend des Ersten Weltkrieges ohne rührseliges Pathos als Varietétheater par excellence. Christian Rinkes Bühnenbild legt den Schwerpunkt auf den Mikrokosmos Varieté. Sylvas lasziver erster Auftritt ist optisch und szenisch eine Hommage an Marlene Dietrich im Film Der Blaue Engel. Das Ballett, vorzüglich choreographiert von Andris Plucis, ist flippig und schrill, und kontrastierend dazu der düstere Chor im Hintergrund in schwarzen Uniformmänteln, ein Vorbote des Todes und des Grauens. 

In einer vom Gefühl des Weltuntergangs geprägten Wendezeit bleibt der unbedingte Drang danach, glücklich zu sein, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Sylvas Handeln wider jede Konvention changiert zwischen pulsierender Lebensfreude und Weltschmerz. Und auch in der Figur des Grafen Boni sind Witz und Schwermut vereint: Sein Zitat aus Joseph Roths Die Kapuzinergruft zum Ende des dritten Aktes zeigt die morbide Schwermut dieser Zeit. Es sind zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: das impulsive Künstlerleben der Nacht und die kalte, von starren Konventionen regierte Atmosphäre einer dem Adel verpflichteten Gesellschaft. Die Uniform, die Edwin im zweiten Akt trägt, ist wie eine Zwangsjacke gesellschaftlicher Verpflichtung. Auch wenn das Libretto ein Happy-End vorsieht, so wird dieses Glück von Sylva und Edwin nur von kurzer Dauer sein, ein Traum, ein Rausch, der vorübergeht.   

Die Meininger Hofkapelle unter der Leitung von Sierd Quarré, der auch für die Einstudierung des glänzend disponierten Chores verantwortlich ist, spielt einen leichten, beschwingten Kálmán, dem leider manchmal die letzte Dynamik und Leidenschaft fehlt.

Camila Ribero-Souza ist eine leidenschaftliche, nach Liebe und Anerkennung dürstende Sylva Varescu. Mit großer Intensität singt und spielt sie die Csárdásfürstin. Die leidenschaftlichen Ausbrüche bewältigt sie mit Leichtigkeit, und ihre warme Mittellage erzeugt die Sinnlichkeit, der Edwin verfallen ist. Rodrigo Porras Garulo überzeugt mit strahlendem Tenor und baritonalem Timbre. Das Duett mit Ribero-Souza ist pure Emotion.

Francis Bouyer gibt den Grafen Boni Kancsianu als tiefgründigen Begleiter Sylvas. Kein Buffo, sondern ein ebenbürtiger Tenor, der um die Gunst der Frauen buhlt. Sonja Freitag ist als Komtesse Stasi eine eigene Persönlichkeit, und nicht nur das liebreizende und naive Anhängsel. Ihr leichter Sopran kommt vor allem im Schwalbenduett mit Francis Bouyer wunderbar zur Geltung.

Ernst Volker Schwarz mimt den Fürsten von und zu Lippert-Weilersheim mit dem Habitus der aristokratischen Arroganz im Gegensatz zu seiner Frau Anhilte, dargestellt von Uta Müller. Der Tenor Stan Meus ist ein unkonventioneller Feri Bacsi, der dieser Rolle großen Ausdruck verleiht. Steffen Köllner gibt den Oberleutnant von Rohnsdorff mit herrischem Gestus, und Lars Kretzer als Notar Kiss ist die einzige heiter beschwingte Figur in diesem Stück.

Das Publikum spendet am Schluss brav Applaus, doch vielen entspricht diese Inszenierung nicht ihrem Bild von der Operette. Einige notorische Klatscher, die das Vorspiel zum dritten Akt unpassend begleiten, viel Gemurmel und fehlende Aufmerksamkeit: da hat Eisenach sein durchweg älteres Operettenpublikum ganz schön gefordert. Doch nur durch solche Inszenierungen kann dieses wunderbare Genre überleben.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Foto ed meiningen