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Fakten zur Aufführung 

DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN
(Emmerich Kálmán)
30. Oktober 2012
(Premiere am 13. Oktober 2010)

Deutsche Oper am Rhein,
Theater Duisburg


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Stairway to Heaven

Eine einsame Reinigungskraft wischt den Boden eines Saals. Auf einmal bewegt sich die Decke und eine glitzernde Treppe tut sich auf, auf der die verwunderte Frau hinaufgeht und verschwindet. Wie aus dem Nichts taucht die schillernde Sylva Varescu auf, und die Liebesgeschichte mit ihren Irrungen und Wirrungen kann ihren Lauf nehmen. Der moderne Rahmen, den Regisseur Joan Anton Rechi um die eigentliche Handlung baut, macht die doch recht kitschige Geschichte mehr als erträglich. Mit dem Wissen, dass die glitzernde Revue-Welt mit Kavalieren, Mädis und pikierten adligen Vätern ein Traum ist, ist eine gewollte Aktualisierung gar nicht mehr nötig. Sehr schön passen dazu die wiederholten emotionalen Innenschauen der Protagonistin, in der sie allein im Lichtkegel steht und die Gesellschaft sich entweder in Zeitlupe bewegt oder einfriert. Die trotz Csárdás und Walzer oft melancholische Musik Kálmáns, die viel von Träumen und Ahnungen erzählt, wird so passend gedeutet. Dabei ist die Personenführung zumeist tadellos, was sich besonders in Szenen mit vielen Akteuren zeigt. Natürlich funktioniert eine Operette wie die Csárdásfürstin auch noch mit alten Zutaten, denn ‚weginszenieren‘ lassen sich Inhalt und Musik nicht. Gut, dass Rechi das nicht versucht. Er wird dem Genre gerecht, ohne dabei zu viele Klischees und Kalauer zu verbraten. Seine Inszenierung bleibt eine Mischung aus subtilem, charmantem Witz und nostalgischem Seufzen.

Was wäre eine Operette über ein Revue-Girl ohne Tanz? Zehn Tänzer mischen sich mit dem Chor und untermalen in Einzelszenen das Geschehen. Dabei enthält die unterhaltsame Choreographie von Amelie Jalowy viele Elemente der typischen Revue, der Burlesque und des Cancans, mal kunstvoll akrobatisch, mal mit einfachen Mitteln umgesetzt. Austoben kann sich Sebastian Ellrich mit seinen Kostümen, die er der Traumwelt entsprechend anpassen kann. So tummeln sich burleske Riesenfächer neben 20er-Jahre-Charleston-Fransen, Lingerie und natürlich Wiener-Ball-Mode und auch modernen Elementen nebeneinander, farblich etwas reduziert, was aber gut mit dem unwirklichen Traum-Thema zusammenarbeitet. Ein großer Pluspunkt des Abends ist das Bühnenbild von Alfons Flores, das sich mit seinem Mechanismus vielfältig einsetzen lässt. Dabei ist gerade die Einfachheit reizvoll, da schon die Kostüme opulent genug sind. Vier einzeln absenkbare Treppen mit regelmäßigen roten Lämpchen darunter bilden eine Decke oder einzeln abgesenkt jeweils mehr oder weniger breite Stufen. In besonders verklärten Szenen glitzern tausende Sterne über die ganze Bühne, was durch die folgenden Brüche nie zu kitschig wirkt. Auch wenn der Zuschauer nicht das eigentlich zitierte Wiener Looshaus erkennt, funktioniert die Bühne allein durch Assoziation. Volker Weinharts Lichtinstallationen geben dem Ganzen noch den letzten Schliff.

Darstellerisch wie musikalisch bekommt das Publikum einiges geboten. Es ist bloß schade, dass man die Sänger nur schwer hören, geschweige denn verstehen kann. Die Akustik lässt doch zumindest im Parkett sehr zu wünschen übrig. Da ist es eine gute Entscheidung, sowohl Übertitel zu liefern, als auch den gesprochenen Text technisch zu verstärken. In der Titelpartie überzeugt Nataliya Kovalova besonders darstellerisch, sie tänzelt, flirtet und ist vor allem eine starke Frau, die ihre Verletzlichkeit zu verbergen sucht. Ihre Stimme wirkt zunächst etwas schwerfällig, doch im Laufe des Abends zieht sie das gesamte Publikum in ihren Bann. Eine sehr süße Komtesse Stasi singt Alma Sadé mit feinem Sopran und ergänzt sich somit gut mit ihrem Widerpart Sylva. Graf Boni gibt Florian Simson sehr witzig und locker. Mit seiner Spielfreude und seinem gut artikulierten Tenor ist er einer der Publikumslieblinge und heimst viele Lacher ein. Kollege Corby Welch als Fürstensohn Edwin zeigt als Verehrer von Sylva viel Gefühl und Schmelz in seiner ansprechenden Stimme. Bariton Bruno Balmelli als launiger Onkel Feri und Peter Nikolaus Kante als distinguierter Fürst von und zu Lippert-Weylersheim erweisen sich ebenfalls als gute Besetzungen. Anhilte, des Fürsten Frau und heimlich ehemaliges Revuegirl, gibt Cornelia Berger, die die steife Gattin und nach einigen Gläsern Champagner den Brüller des Abends liefert: wunderbar gespielt. Christian Bartels als General Rohnsdorff hat es nicht leicht, denn seine Partie ist kein Sympathieträger; er erfüllt seine Aufgabe aber einwandfrei und man profitiert im gesprochenen Text und im Spiel von seiner Schauspielausbildung.

Die musikalische Leitung hat Wolfram Koloseus, der mit den Duisburger Philharmonikern zum Tanz aufspielt, da sind drastische Tempowechsel und Steigerungen nicht selten. Er streckt mutig die Tempi, was gut zum Regieeinfall zu passen scheint, der das Ganze nicht so scharf, nicht so eindeutig machen will. Da klingt auch die Musik wie eine Erinnerung an alte Zeiten. Hin und wieder scheint es Unstimmigkeiten zwischen Sängern und Orchester hinsichtlich des Tempos zu geben. Davon ist der Chor unter der Leitung von Christoph Kurig aber kaum betroffen, denn der liefert eine tolle Leistung.

Das Publikum, das hauptsächlich aus älteren Abbonnenten besteht, spendet zwar fleißig Szenenapplaus und ein paar Mutige klatschen mit, es wird aber auch viel getuschelt. Leider gerät der Schlussapplaus etwas kraftlos und zu kurz für die schöne Leistung, die die Beteiligten dargebracht haben. Beim Rausgehen hört man dann doch ganz leise: „Die Mädis, die Mädis, die Mädis vom Chantant…“.

Miriam Rosenbohm

Fotos: Hans Jörg Michel