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Fakten zur Aufführung 

WERTHER
(Jules Massenet)
25. April 2014
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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20-Minuten-Tod am Telefon

In der Oper wird gern, lang und bevorzugt singend gestorben. Bei Regisseur Joan Anton Rechi hält auch gleich noch moderne Technik Einzug beim Tod. Werther stirbt mehr als 20 Minuten im Dialog mit Charlotte am Telefon. Der Tod ist ein alter Weggefährte. Also verwendet Bühnenbildner Alfons Flores Telefonmodelle der 1980-er Jahre. Das ist das Ende. Das Ende einer schlüssigen, gefälligen Inszenierung, die überflüssigerweise damit beginnt, dass Werther stirbt. Ein Schuss fällt, dann beginnt die Musik. Der Vorhang öffnet sich, Werther liegt im Sessel auf einer Wiese, um ihn herum einige Bücher verstreut, hinter ihm eine Stehlampe. Dieses Szenario wird durch alle Bilder durchgehalten. Die tief nach hinten geöffnete Bühne hingegen wechselt häufiger. Beginnend mit einem Wald wird daraus später leerer Spielraum, an dessen Ende Licht die Stimmungen verdeutlicht. Rechts begrenzt eine geschwungene Gaze-Wand die Bühne, die Raum für Nebenhandlungen bietet, links ist die Wand verschieblich, um die Handlungsräume aufzulösen. Das ist von Flores ebenso fantasievoll gemacht, wie das Licht von Volker Weinhart sorgsam eingerichtet worden ist. Neben einem warmen Grundton sorgen sparsam eingesetzte Verfolger für zusätzliche Dramatik. In diesem zeitlosen Umfeld bewegen sich die von Sebastian Ellrich ebenso zeitlich unbestimmt, aber harmonisch eingekleideten Figuren. Dass Werther ganz in Rot gekleidet ist, erspart den Einsatz von Blut. Der eine oder andere humorvolle Regie-Einfall sorgt für verhaltenes Schmunzeln im Publikum, als noch Zeit dafür ist, ohne sich aufzudrängen. Rechi gelingt es bravourös, die ohnehin sparsame Handlung durch zunehmende Reduktion zu fokussieren und den Zuschauer immer weiter in den Bann zu ziehen.

Dazu tragen auch die Bühnenakteure mit wechselndem Erfolg bei. Die hervorragende Personenführung des Regisseurs sorgt dafür, dass sogar herumstehende Protagonisten nicht als störend empfunden werden und Werthers doch teils opulente dramatische Operngestik erträglich bleibt. Für die wiederum ist Sergej Khomov zuständig, dessen Tenor häufig näselnd klingt, der aber die hoch anspruchsvolle Rolle des Werther absolut überzeugend verkörpert. Katarzyna Kuncio bleibt als Charlotte zunächst etwas unscheinbar, was sich aber allmählich ändert und zu einem fulminanten Auftritt im vierten Akt führt. Stimmlich präsentiert die Mezzosopranistin eher eine von Dramatik und Verzweiflung getriebene, als eine suchende und liebende Charlotte. Laimonas Pautienius gibt einen durch und durch überzeugenden Albert, der vor allem in seiner letzten Aktion ein ausgesprochen überzeugendes Timing zeigt. Sophie als ewig unbekümmerte, letztlich nicht mehr verstehende Schwester Charlottes wird von einer schauspielerisch wie sängerisch begeisternden Alma Sadé interpretiert, die die hohen Töne selbst im Laufen noch ohne Schwankungen hält. Das muss ihr erst mal jemand nachmachen. Tadellose Leistungen in den Nebenrollen ergänzen das Gesamtbild des Abends.

Besondere Erwähnung muss der Kinderchor am Rhein finden, der von Karoline Philippi betreut wird. Philippi, die ansonsten als Theaterpädagogin am Haus arbeitet, hat die Kinder sorgsam und – dieser Eindruck entsteht – mit viel Liebe und Behutsamkeit so vorbereitet, dass sie nahezu stressfrei und mit viel Eifer bei der Arbeit sind. Großes Kompliment.

Die Düsseldorfer Symphoniker spielen einen wunderbaren Massenet. Kapellmeister Christoph Altstaedt erzeugt mit scheinbar leichter Hand die ganze Bandbreite von behutsamer Zärtlichkeit über die ganz große Dramatik bis hin zum Gruseleffekt. Das ist prinzipiell großartig. Und wenn der junge Dirigent noch daran denkt, dass es auf der Bühne Sängerinnen und Sänger gibt, die vom Publikum gehört werden wollen, wird es perfekt. Das ist den Besucherinnen und Besuchern der Folgevorstellungen zu wünschen, denn dann werden sie eine rundum gelungene Aufführung erleben.

Das Premierenpublikum sieht über die kleinen Unebenheiten hinweg und bedankt sich herzlich und langanhaltend, letztlich auch mit stehenden Ovationen. Einer einzigen „Buh-Stimme“ werden sofort zahlreiche bravi entgegengesetzt. Recht so.

Michael S. Zerban

Fotos: Hans Jörg Michel