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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
24. Februar 2012
(Premiere am 18. Februar 1990)

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf


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Doppelte Botschaften

Die Erwartungen sind gemischt: nur zwei Vorstellungen Wagner in dieser Spielzeit, Bedauern darüber, dass der gerade erweiterte Orchestergraben  nicht für eine Neuinszenierung genutzt wird. Die doppelte Botschaft des Hauses lautet so: die finanziellen und logistischen Möglichkeiten stoßen an Grenzen. Und mit der Inszenierung von Kurt  Horres liegt eine vorzügliche Arbeit vor, die auch nach 22 Jahren keine Patina angesetzt hat, bei der keine Anspielungen auf damals aktuelle Geschehen erst zur Trivialisierung und dann zum achselzuckenden Unverständnis führen. Horres erzählt in existenzialistischer Dichte drei Geschichten unterschiedlichen Scheiterns, in denen dennoch ein Rest Hoffnung jeweils bewahrt bleibt, exterritorial zum Tod. Es gelingt ihm, einen überzeitlichen Mythos  in die Sphäre der Daseinserhellung zu transponieren:  Hier die Beziehung zwischen Siegmund und Sieglinde, die weniger die moralische Dimension der Inzestthematik als die Innigkeit dieser Liebe herausarbeitet, dort die zwischen Fricka und Wotan, in der Frauen am besten wissen, was gut für ihre Männer sei. Erst die Vernunft, dann die Liebe, zwei Modelle von Partnerschafts- und Existenzverständnis, die beide zerschellen. Eigentlich könnte die Oper auch nach dem zweiten Akt enden. Im  dritten  Akt werden die gutbürgerlichen – Hunding – und die royalen Räume – Fricka und Wotan – ausgetauscht gegen die emanzipatorische  Moderne im Reich der Walküre. Grane und ihre Genossinnen thronen auf Sockeln wie Schachfiguren in einem Spiel, in dem auch die Götter sich nur in vorgegebenen Zügen bewegen dürfen. Sachzwänge überall, aber auch Raum fürs Taktieren. Die Räume spiegeln bei Kurt Horres Herrschaftsstrukturen wider, um zugleich ein utopisches Surplus aufzuweisen. Eine Tafel, die gemeinschaftsstiftend sein könnte, im Hause des Nimrod, ein Tisch, der unendliche Distanz schafft zwischen zweien, die sich nur scheinbar genügen bei denen da oben. Eine ungeheuer spannende Inszenierung, bei der man das Ende der überlangen Dreiviertelstundenpausen herbei sehnt.

Das Bühnenbild und die Kostüme von Andreas Rheinhardt zeigen die typischen Charakteristika für seine Arbeit: Hohe Räume, die nie ganz abschließen,  zum Teil verhangen, als Symbol für Tabuzonen, die jedes Leben aufweist; der Tisch für die Walküre, auf den auch Isaak gelegt werden könnte. Die Kostüme führen in die Entstehungszeit der Oper, mal züchtig, mal damenhaft, mal Grandseigneur, mal Jäger. Kulisse und Ausstattung erscheinen immer noch sehr ansprechend. Natürlich wäre bei längerer Vorbereitungszeit bei den Lichtinstallationen noch der eine oder andere Effekt mehr zu erzielen gewesen.  Und auch für Esche und Speer bieten sich heute ganz andere Möglichkeiten. Der Inszenierung tut dies keinen Abbruch.

GMD Axel Kober inspiriert die Düsseldorfer Symphoniker zu einer ungeheuer differenzierten Interpretation, einer Klangfülle und Emphase, ohne Pathos und Überhöhung, die bis ins Innerste berührt.

Michael Weinius überzeugt vor allem stimmlich. Seine gleißend schöne Tenorstimme meistert die Partie des Siegmund in technischer Brillanz. Aber wer besteht schon darstellerisch neben Susan Maclean? Die bayreutherfahrene Sängerin zeigt, wie intensiv sie sich mit der neuen Rolle der Sieglinde auseinander gesetzt hat. Körpersprache und Gesang verschmelzen zu einer Einheit. Anmut, Innigkeit, Hingabe, Widersetzlichkeit, ihre große Stimme wiederholt wie ein kostbares Instrument alle Haltungen und Gefühle. Wohl dem Düsseldorfer Haus, das  mit ihr und Martina Dike zwei Mezzosopranistinnen von solcher Qualität auf die Bühne bringen. Dike singt die Fricka so, als wolle sie an ihrer Bestimmtheit und Dominanz keinen Zweifel aufkommen lassen, jeder Ton ein gekonntes Ausrufezeichen,  mit einer gewaltig-schönen Stimme, die in den Höhen wie in den Tiefen gleichermaßen spielerisch aus Tönen Botschaften werden lässt. Hans-Peter König ist eine Idealbesetzung für den Hunding. Der beobachtet im Hintergrund argwöhnisch und lauernd das sich verliebende Paar und deutet an, welch mörderisches Potenzial in ihm liegt, ausgestattet mit einer mächtigen, hoch kultivierten Stimme. Almas Svilpa verleiht Wotan stimmlich wie spielerisch fein nuancierten Charakter. Eine elegante und höchst konzentrierte Stimme. Linda Watson singt Brünnhilde. Die dramatische Stimme scheint wie geschaffen für diese Rolle. So mannhaft muss sie auftreten, absolut mit weiblichem Charme in der Stimme. Als Walküren gefallen Sonja Mühleck, Josefine Weber, Morenike Fadayomi, Maria Hilmes, Iryna Vakula, Katarzyna Kuncio, Eva Vogel und Geneviève King.

Das Publikum, besonders fein gekleidet – der Ort verpflichtet – speist in den beiden Pausen, um dann rasenden Beifall zu spenden, im Stehen, versteht sich. Das Haus ist voll bis auf den letzten Platz. Offensichtlich sind niemandem die fünfeinhalb Stunden Wagner zu lang geworden.

Frank Herkommer







Fotos: Hans-Jörg Michel