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Fakten zur Aufführung 

DAS TESTAMENT DER TANTE KAROLINE
(Albert Roussel)
24. Februar 2012
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein, Opernstudio,
Aufführung im Schauspielhaus,
Kleines Haus


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Vor der Premiere

Dramaturg Bernhard F. Loges, der Musikalische Leiter des Opernstudios, Christoph Stöcker und David Jerusalem, Opernstudio-Teilnehmer erzählen von den Vorbereitungen der deutschen Erstaufführung (5'34).


 

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Locker-fluffiger Einstand

Eine heitere kleine Überraschungsgeschichte liegt der wiederentdeckten Operette von Albert Roussel zugrunde. Drei Nichten treffen zusammen, um das Erbe der jüngst verstorbenen Tante aufzuteilen. Doch statt Geld gibt es ein Testament, das dem Erstgeborenen einer der drei Nichten das gesamte Erbe vermacht. Es stellt sich heraus, dass gerade die Nichte, von der man es am wenigsten erwartet, einen Sohn hat. Der arbeitete für die Verstorbene als Chauffeur und liebt deren Krankenschwester. Finanziell gut ausgestattet, steht der großen Liebe nichts mehr im Wege.

Mechthild Hoersch hat aus dem Stoff eine lockere, bewegungsintensive Stunde gemacht, die den Teilnehmern des Opernstudios alle Ingredienzien einer vollständigen Bühnenaufführung bietet. Das Ganze ist insofern geschickt angelegt, als der Einzelne hier zwar schon mal glänzen kann, es aber auch nicht großartig auffällt, wenn mal jemand patzt. Fast vollständig ohne Requisiten – eine Akte, ein Jojo – haben die Akteure jede Möglichkeit, sich auszuleben. Die Kostüme von Stefanie Grau sind stilisierend fantasievoll bis leicht komisch überzeichnet. Fantasie hat Grau auch für die Bühne aufgewendet, wenn auch nicht bis ins Letzte durchdacht. Die Gesamtspielfläche besteht aus zwei hintereinander liegenden Hebebühnen und den Seitenbühnen. Auf der hinteren Bühne ist das 25-köpfige Orchester untergebracht. Auf der vorderen Bühne ist ein überdimensionaler Würfel aufgebaut, der mal als Tresor, mal als Vorratsraum für nicht gebrauchtes Personal oder auch als Niemandsland dient. Leider verdeckt er aber auch Teile des Geschehens. Volker Weinhart kümmert sich um das Licht, indem er auf große Effekte verzichtet, aber effizient ausleuchtet.

Das Stück an sich bietet so gut wie keine Handlung. Diesen Freiraum nutzt Hoersch energisch. Da müssen sich Akteure, die gerade nicht singen, in Dehnungsübungen, Schaukämpfen und angedeuteten Beischlafszenen austoben. Das ist nicht weiter schlimm, vielleicht sogar streckenweise humorvoll, wenn nicht alles mit der Klebrigkeit der Slow-motion übergossen wäre. Effektvoll eingesetzt und von wirklich guten Schauspielern dargestellt, mag das hin und wieder funktionieren, an diesem Abend entschleunigt der „Kunstgriff“ ohne Not. Wer singt, hat’s besser. Der darf an der Rampe erstarren. Möglicherweise ein Tribut an die jungen Sängerinnen und Sänger, um sie nicht zu überfordern. Der Spritzigkeit des Stücks nutzt es kaum.

Was ihr nutzt, ist die Spielfreude der Teilnehmer des Opernstudios. Oder zumindest einiger von ihnen. Die Paraderolle ist sicher die des Testamentvollstreckers. Und David Jerusalem spielt sie voll aus. Zwar merkt man ihm das Streben nach Perfektion noch an, aber voll und rund und vor allem verständlich gefällt der Bass. Geradezu begeisternd sein Sprechtext. Quasi fehlerlos werden da in hohem Tempo antiquierte Gesetzestexte rezitiert. Selbst den überflüssigen Regieeinfall, zu Beginn der Veranstaltung bei seinem Auftritt wie verrückt hin und her zu tippeln, absolviert Jerusalem glaubhaft. Luiza Fatyol nutzt die Rolle der Krankenschwester Lucine, um sich zu profilieren. Sie hat eine vielversprechende Strahlkraft, ihr Sopran klingt rein und hinter seinen Möglichkeiten, auch wenn Fatyol sicher noch an der Verständlichkeit ihres Gesangs arbeiten muss. Mezzosopranistin Maria Kataeva hat einen der anstrengendsten Auftritte als Nichte Noémie, die gesanglich in positiver und negativer Hinsicht unauffällig bleibt, aber unentwegt im Getümmel unterwegs ist. Sie wird in naher Zukunft Gelegenheit bekommen, sich auf der großen Bühne der Oper zu bewähren. Großartig und damit ein Stück weit überraschend präsentiert sich Jessica Stavros als Nichte Béatrice. Ihre Stimmqualität hat sie zur Genüge unter Beweis gestellt und gefällt auch zur Musik Roussels. Aber in der Sternstunde ihres Auftritts hat sie zudem ein zur Rolle gehörendes Strahlen in den Augen, das Worte überflüssig macht. Sprechen muss sie trotzdem, und sie hat ihren herrlich amerikanischen Akzent so weit im Griff, dass er ganz wunderbar französisch klingt. Noël ist zunächst pfiffiger Chauffeur, später muss Ovidiu Purcel sich durchschimmernd als der verlorene Sohn, als das Kind präsentieren. Schauspielerisch sehr gut gelöst, gelingen dem Tenor die unteren Lagen noch nicht überzeugend. Bogdan Bacius Rolle ist der Arzt Patogène nicht. Er bleibt blass und ohne Ausstrahlung, ähnlich Attila Fodre als Ehemann Jobard. Cornelia Berger als Christine und Raphael Pauß in der Rolle des Fernand sollen die Opernstudio-Mitglieder als Ensemble-Mitglieder der Deutschen Oper am Rhein unterstützen und erledigen ihre Aufgabe ordentlich.

Ebenfalls ordentlich absolviert der achtköpfige Chor seine Arbeit.

Christoph Stöcker dirigiert mit Verve das Altstadtherbst-Orchester Düsseldorf, ohne auch nur einen der Sänger zu übertönen. Sicher stellt Roussels Musik kein Orchester vor unlösbare Aufgaben, trotzdem macht die unprätentiöse Art Spaß, mit der sich das Orchester in seine Aufgabe einfügt, nämlich, die Teilnehmer des Opernstudios ins rechte Licht zu rücken. Stöckers Arbeit gefällt immer wieder dadurch, dass es ihm gelingt, seine Musik als Ergänzung , als Teil des Ganzen zu begreifen, ohne auch nur einen Moment in Konzentration und Energie nachzulassen.

Die erste eigene Produktion des neuen Opernstudio-Ensembles mit dem inzwischen eingespielten Team Hoersch/Stöcker ist nicht nur deutsche Erstaufführung, sondern auch ein gelungener Einstand der Nachwuchssänger. Der eine oder andere von ihnen wird vielleicht schon jetzt zu hoch gelobt, andere haben sich an diesem Abend noch einmal nachdrücklich für höhere Aufgaben empfohlen. Und damit darf man die Aufführung als Erfolg feiern.

Durchaus auch noch ein wenig enthusiastischer als das Publikum im vollbesetzten Kleinen Haus des Schauspielhauses Düsseldorf. Das klatscht langanhaltend, aber pflichtbewusst. Und das wird dem engagierten Nachwuchs kaum gerecht.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Frank Heller