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Fakten zur Aufführung 

STREET SCENE
(Kurt Weill)
27. April 2014
(Premiere am 25. April 2014)

Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf, Partika-Saal

Points of Honor                      

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Nach der Aufführung



Thomas Gabrisch ist Professor der Opernklasse an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf (5'32).

 

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Irgendwie geht es weiter

Dreigroschenoper, Mahagonny – klar, das hat Kurt Weill komponiert, kennt doch jeder. Das Weill insgesamt neun Opern komponiert hat, ist weniger bekannt. Ebenso wenig wie der Umstand, dass der Komponist Amerikaner war. Geboren 1900 in Dessau, wanderte er 35 Jahre später aufgrund der politischen Umstände nach Amerika aus und nahm deren Staatsbürgerschaft an. Nach Jahren des Vergessens wird Weill heute wieder gern als „deutscher Komponist“ vereinnahmt. In seinem Sinne ist das freilich nicht zwingend. Er träumte eher davon, eine „Amerikanische Oper“ zu erfinden, die gleichermaßen für Broadway, Europa und das Radio geeignet ist. Paradebeispiel dafür ist Street Scene, eine im Grunde aufführungsfeindliche Oper, die in letzter Zeit in Dessau, Hagen, Hannover und Düsseldorf ihre Renaissance erfährt. Aufführungsfeindlich deshalb, weil das Werk einen ungeheuren Aufwand an Personal erfordert, das in der Lage sein muss, höchste gesangliche und musikalische Anforderungen zu erfüllen. Idealfall für die Opernklasse einer Musikhochschule, entschieden im vergangenen Jahr die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, in diesem Jahr Thomas Gabrisch, Leiter der Opernklasse der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf. Die Oper, 1947 in New York mit größtem Erfolg uraufgeführt, fiel acht Jahre später am Städtischen Theater Düsseldorf durch. Jetzt also kommt sie im Rahmen der jährlichen Aufführung der Opernklasse an der Robert-Schumann-Hochschule wieder auf die Bühne. Unter widrigen Umständen, aber deshalb nicht weniger engagiert, wird das sinnenfrohe, politische, gesellschaftlich relevante Stück unter der musikalischen Leitung von Gabrisch von Gregor Horres und Stephanie Koch inszeniert.

Wer die originellen und teils aufwändigen Bühnenbilder der Vorjahre im Partika-Saal kennt, ist, um es vorsichtig zu formulieren, erstaunt. Eine riesige Spanplattenwand, terrakottenfarben angemalt, mit einigen Auf- und Abgängen umrahmt die eher kleine Bühne, auf der sperrmüllreife Sitzgelegenheiten, ein Tisch und eine Juke-Box Platz finden. Quer darüber ist eine Wäscheleine mit einigen Wäschestücken gehängt. So wird der Innenhof vor einem Mietshaus in Brooklyn von Dirk Busse gestaltet. Weil es der Fundus hergibt, gestaltet Heike Neugebauer die Kostüme im Stil der 1960-er Jahre. Das ist eine nette Notlösung, aber die weißen Söckchen der Rose Maurrant zum Trauerkleid sind dann doch ein bisschen viel. Das Licht hält Volker Weinhart extrem einfach. Effekte fehlen nahezu vollständig. Auch Koch und Horres halten sich in der Kreativität extrem zurück. Kinder und Tiere auf der Bühne funktionieren immer, lautet ein alter Lehrsatz in der Regie – und beides kommt in der Aufführung vor, also brauchen wir uns um den Rest nicht mehr großartig zu kümmern. Was ja nicht heißt, dass die Regisseure sich im pädagogischen Bereich nicht bemüht hätten. Gabrisch betont, welch enorme Entwicklung die Studierenden in den vergangenen Wochen durchlaufen haben.

Mehr als 40 Personen sind auf der Bühne unterwegs. Und obwohl alle, bis hin zum Kind mit Kurzauftritt, unglaublich engagiert sind, gibt es einige wenige, die besonders herausragen. An erster Stelle ist da sicher Dino Lüthy in der Rolle des Sam Kaplan zu nennen. Er hat drei Jahre in Bern studiert, ehe er vor einem halben Jahr nach Düsseldorf kam, um bei seinem Lehrer Ludwig Grabmeier den letzten Schliff zu erhalten. Der Tenor wird hoffentlich noch seinen Master beenden, ehe er eine glanzvolle Karriere beginnt. Auch Monika Rydzkowski, die bei Konrad Jarnot studiert, wird hoffentlich noch ihren Master „bauen“. Sie spielt und singt die Rolle der Rose Maurrant. Was im ersten Akt noch nach einer weiteren schön singenden Soubrette klingt, offenbart sich im Finale als eine großartige, belastbare und höchst intensive Stimme, kurzum: ein Erlebnis, das man noch lange in Erinnerung behalten wird. Maren Schäfer, die Anne Maurrant verkörpert, überzeugt gesanglich wie schauspielerisch. Unbedingt erwähnenswert auch das Liebespaar Mae Jones, die von Jana Marie Gropp gespielt, gesungen und getanzt wird, sowie Jin-Su Park, der ihren Dialogpartner Dick McGann darstellt. In der Choreografie von Marcus Grolle liefern die beiden eine Musical-Nummer ab, die hinreißender als manches ist, was man in so genannten kommerziellen Musicals zu sehen bekommt. Der Koreaner Jonghyun Yoon spielt den Italiener Lippo Fiorentino mindestens so großartig wie die griechischstämmige Sophia Theodorides aus Wipperfürth seine Frau Margherita. Sabine Schneider hat den Kinderchor einstudiert, der mit großer Spielfreude zum Gesamtgeschehen beiträgt. Und der wichtigste Teilnehmer dieses Abends darf natürlich nicht fehlen: Lupo spielt seine Rolle, man kann es nicht anders formulieren, überwältigend. Er ist Queenie, der Hund, und am liebsten möchte man ihn nach der Aufführung gleich am Bühneneingang abholen.

Jemand ganz anderes holt das Publikum an diesem Abend ab. Das ist Thomas Gabrisch, der das 37-köpfige Orchester der Robert-Schumann-Hochschule unter seinen Fittichen hat. Er präsentiert einen Kurt Weill, wie er begeisternder nicht sein kann. Ob Jazz-, Blues-Elemente oder „Mantovani-Klänge“ – Gabrisch präsentiert ein stimmiges Klanggebilde, das frei von ideologischen Elementen bleibt und mehr als drei Stunden zu einer erträglichen Zeit werden lässt. Aufmerksam hat er Sänger und Musiker gleichermaßen im Blick und versucht, gegen die schwierige Akustik anzuarbeiten, die eine Balance zwischen beiden ungeheuer erschwert.

Das Publikum besteht sicher zu großen Teilen aus Angehörigen der Akteure. Egal. Die Bravo-Rufe sind ebenso gerechtfertigt wie der langanhaltende Applaus, dem bereits zahlreiche Arien-Applause vorausgegangen sind.

Der Robert-Schumann-Hochschule sind in diesem Jahr einige Sponsoren abhanden gekommen. Gut, dass die Bildungsanstalt sich dadurch nicht davon abhalten ließ, diese Inszenierung zu schultern. Schlecht für die Sponsoren, dass sie sich die Gelegenheit entgehen ließen, Sympathiepunkte zu sammeln.

Michael S. Zerban





Fotos: Susanne Diesner
(Die Besetzung weicht in den
einzelnen Aufführungen voneinander
ab. Deshalb sind hier nur
Beispielfotografien aufgeführt)