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Fakten zur Aufführung 

ROMEO AND JULIET
(Rasta Thomas)
26. März 2014
(Premiere am 27. März 2014 )

Capitol Theater Düsseldorf


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Romeo und Julia als Handlungsballett? Das ist selbst an Opernhäusern längst gelaufen, vorbei. Umso überraschender, dass sich jetzt ein Musical-Unternehmen dieses Themas annimmt. Im Düsseldorfer Capitol ist nach den Stationen in Zürich, Bremen, Stuttgart, Berlin, Wien und Hamburg ein Rock-Ballett angekommen, das der Jugend die uralte Geschichte verkaufen will.

Rasta Thomas, Künstlerischer Direktor der Produktion, hat sich entschieden, den Stoff der Geschichte beizubehalten und die Rahmenbedingungen zeitgemäß zu gestalten. „Im Zentrum steht immer eine gute Show, die bewegt, mitreißt, im Idealfall sogar glücklich macht“, erklärt der Tänzer, der ursprünglich aus dem klassischen Ballett kommt. Sergej Prokofjews Musik bleibt nur rudimentär erhalten, stattdessen gibt es Antonio Vivaldi, Lady Gaga, Jay Z oder David Guetta. Laut und wild wird es. Wenn die Bässe wummern, vibrieren auch schon mal die Sitze im Capitol. Das gehört zur Show und passt gut zum Lichtdesign, das Patrick Woodroffe entwickelt hat. Hier gibt es großartige Effekte, aber auch immer wieder Blendungsmanöver für das Publikum. Die Videoprojektionen von Joshua Hardy, vollmundig als „atemberaubend“ angekündigt, entpuppen sich als doch eher biedere Aufhellung des Bühnenhintergrunds. Auf der ansonsten leeren Bühne zeigt Choreografin Adrienne Canterna eine Mischung aus klassischem Ballett mit HipHop-, Akrobatik- und Jazz-Dance-Elementen. Besonders die akrobatischen Einlagen bei den Kampfszenen sind immer wieder eindrucksvoll. Gezeigt werden hier die Auseinandersetzungen von Jugend-Gangs, was sich auch in den Kostümen manifestiert, nicht so sehr der Zwist zweier befeindeter Familien. Salti vor- oder rückwärts, selbstverständlich aus dem Stand, langgezogene Hechtrollen und andere Kunststücke begeistern das Publikum. Lenken aber auch zugunsten des Effekts von der Liebesgeschichte ab. Canterna und Thomas haben die Geschichte in 23 Szenen aufgeteilt. Wer die Szenen samt und sonders verstehen will, sollte die Handlung von Romeo und Julia vorher kennen.

Um das Tanzvergnügen zu genießen, sind solche Kenntnisse nicht vonnöten. Da reicht es zu wissen, dass die Shakespearesche Julia wohl 14 Jahre alt ist. Lauren Perry ist von zierlicher Gestalt und daher bestens in der Hauptrolle besetzt. Eigentlich eher dem zeitgenössischen Tanz verhaftet, zeigt sie auch in den klassischen Ballettszenen Perfektion. Zwar tänzerisch einwandfrei, fehlt es Barton Cowperthwaite als 18-jährigem Romeo an Ausstrahlung. Weitaus mehr Eindruck hinterlässt DJ Smart in der Rolle des Mercutio. Als Unsymphat Graf Paris überzeugt Nicholas Cunningham. Zwiespältig die Rolle des Mönchs Lorenzo, dem Jace Zeimantz bisweilen paradoxe Figuren zuordnet. Teneise Mitchell Ellis gibt Julias Amme in ihrer Mittlerrolle ein ausgewogenes Bild. Nicht alle Rollen wirken durchchoreografiert, und so läuft beispielsweise Kyle Lucia als Tybalt auch schon mal unmotiviert auf der Bühne herum. Das fällt bei den übrigen hochklassigen tänzerischen Leistungen doppelt – unangenehm – auf. Ebenfalls nicht ganz zu Ende gedacht scheinen die dramaturgischen Feinheiten, wenn etwa der „Brief“ beschwörend in die Höhe gehalten oder Fläschchen so lange hergezeigt werden, bis auch der letzte begriffen hat, dass es mit dem Inhalt vermutlich nichts Gutes auf sich hat. Hier wird deutlich, dass zur Inszenierung eines Handlungsballetts mehr gehört, als ein guter Choreograf oder Tänzer zu sein.

Aus ihrer Sicht haben Thomas und Canterna ihr Ziel sicher erreicht. Mit solch bildgewaltiger Show kann man die jugendliche Zielgruppe ganz gewiss begeistern. Die Stilmixe können durchaus dazu beitragen, dass Jugendliche neben dem modernen Tanzformen das klassische Ballett entdecken. Und das Experiment, klassische Musik mit Rock-, na ja, Pop-Musik zu mischen, darf man als gelungen betrachten. Wenn eine solche Show auch sicher nichts für Nostalgiker ist.

Dem Publikum jedenfalls gefällt’s. Heftiger Beifall, Johlen und letztlich stehende Ovationen gibt es als Dank für eine neue Erfahrung.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Manfred Vogel