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Fakten zur Aufführung 

LE NOZZE DI FIGARO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
1.Februar 2014
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf


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Und noch ein Figaro

Was da groß von der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf als Premiere von Le Nozze di Figaro angekündigt wird, hat bestenfalls etwas von B-Premiere. Die große Pressekolonne, offizielle Stadtobere oder das Regie-Team erscheinen gar nicht erst. Die Besetzung der Gräfin Almaviva taucht in den Künstlerbiographien des Programmheftes nicht auf, und die musikalische Leitung hat GMD Axel Kober seinem Kapellmeister Christoph Altstaedt überlassen. Wer es also glamouröser liebt, ist zu spät dran. Der große Rummel fand Anfang Dezember vergangenen Jahres in Duisburg statt. Ob sich die Düsseldorfer das auf Dauer gefallen lassen, bleibt abzuwarten. Der Aufführung jedenfalls tut es keinen Abbruch.

Um diesen Figaro zu inszenieren, ist Altregisseur Michael Hampe an die Rheinoper verpflichtet worden. So etwas dürfte man in Intendantenkreisen eine sichere Bank nennen. Ein zugkräftiger Name – Hampe ist immer noch vielen aus seiner 20 Jahre währenden Intendanz an der Oper Köln in Erinnerung – alt genug, um vor Überraschungen gefeit zu sein. Dass man seinem Werk einen gewissen Hang zur Opulenz nachsagt, schadet sicher auch nicht. Und genau das bekommt das Publikum zu sehen: Ein Alterswerk, das sich am Libretto orientiert, ohne neuzeitliche Bezüge zu setzen, aber mit einer ausgereiften Personenführung und grundsolide und schlüssig inszeniert. Das wissen Opernbesucher zu schätzen. Vor allem, wenn es in einer Umgebung stattfindet, die German Droghetti gestaltet hat. Neoklassizistisch würde seinen Stil wohl am ehesten beschreiben. Hochgezogene, schmucklose Marmorwände mit jeweils einem großen, mit Jugendstil-Elementen verzierten Ausgang und weiteren, kleinen, in der Wand verborgenen Türen schmücken die ersten drei Akte. Im dritten Akt wird es etwas pompöser, geht es doch um die Gerichtsbarkeit. Requisiten werden sparsam nach Notwendigkeit eingesetzt. Im vierten Akt geht es dann erwartungsgemäß ab in den Garten. Dort gibt es pflanzliche Labyrinthwände mit Sichtlücken um eine kleine kreisrunde Marmorbank herum, im Hintergrund einen stilisierten Sternenhimmel, darüber üppigen Tannenschmuck. Droghetti steckt das Personal in eine Art Empire-Stil-Kostüme, Manfred Voss leuchtet effektvoll aus. So sieht alles aus wie in einer „richtigen Oper“, und so ist es auch aus den Zuschauerreihen zu hören. Bei einer Spieldauer von dreieinhalb Stunden ist allerdings eine solche Bühne doch eher ermüdend. Erfrischend deshalb die Tanzszene von Michal Matys, bei der Chor und Solisten eine Art spanisches Menuett vorführen. Hampe hat, so scheint es, seinen Protagonisten viel Freiraum für die Rollengestaltung gelassen, was durchaus nicht immer von Vorteil ist. Immerhin hat er die Stotterei bei Gericht auf ein Minimum reduziert, so dass dem Publikum diese Peinlichkeit weitgehend erspart bleibt.

Auf einem eher statischen Tableau mit viel Bewegungsfläche muss man sich schon eine Menge einfallen lassen, um das Bühnenbild durch das Ensemble zu beleben. Und da darf sich jeder Regisseur glücklich schätzen, der eine Susanna mit Alma Sadé besetzen kann. Mit schier unglaublichem Esprit bewegt Sadé sich leichtfüßig von Szene zu Szene, lässt keinen Stillstand aufkommen, auch dann nicht, wenn es zu singen gilt. Eine Augenweide als Schauspielerin und Labsal für das Gehör als Sopran. Eine Überraschung ganz anderer Art bietet an diesem Abend Brigitta Kele als Gräfin Almaviva. Ihr Sopran ist in den Höhen eng geführt, die Ausstrahlung geht gegen null und Bewegung scheint nur im äußersten Notfall möglich zu sein. Das ist bedingt der Personenführung Hampes geschuldet, wenn sie etwa ewig auf dem Bett herumliegen muss, erklärt aber nicht die Leistung des Abends. Ebenfalls nur bedingt überzeugt Maria Kataeva als Cherubino. Gesanglich ist die Kataeva immer eine Freude, schauspielerisch verhält sie sich vermutlich gemäß der Regieanweisungen korrekt. Man kann den Cherubino als schüchtern-verlegenen 16-Jährigen anlegen, dann macht er aber nicht so viel Spaß wie der draufgängerisch-frivole Pubertierende oder der engelsgleiche, gleichsam einer anderen Welt entsprungene Cherubino. Handwerklich ist gegen die Interpretation nichts einzuwenden. Überzeugender aber ist doch Luiza Fatyol als Barbarina. Sie begeistert mit einer Bühnenpräsenz und Leichtigkeit, die andere Nebenrollen in den Hintergrund stellt. Großartig, wie es ihr in der Höhe noch gelingt, die Stimmlage des Grafen Almaviva zu imitieren. Mit dieser Barbarina empfiehlt sich Fatyol eindeutig für größere Aufgaben. Endgültig Freude kommt bei Spiel und Gesang von Torben Jürgens auf. Sein Bassbariton zeichnet bei langjähriger Mozart-Erfahrung einen lebendigen, in jeder Hinsicht überzeugenden Figaro, der es auch an Spielfreude nicht mangeln lässt. Nicht weit davon entfernt ist Richard Šveda, der sich als Graf Almaviva allerdings häufiger auf Ruhepositionen zurückzieht und die theatralische Geste liebt. Über sich selbst hinaus wächst Sami Luttinen als Bartolo mit verständlichem, geradezu spritzigem Bass und eindeutig viel Spaß an der Rolle. Marta Márquez entlockt der Marcellina zwar stimmlich neue Aspekte, gefällt vor allem in der Entdeckerin der Mutterrolle, gerät aber mit ihrer Stimme schnell an ihre Grenzen. Als Marcellina weckt sie Freude. Bruce Rankin als Basilio, Luis Fernando Piedra in der Rolle des Don Curzio und Daniel Djambazian als Antonio passen sich gut in das Gesamtgefüge ein. Ebenso wie der von Gerhard Michalski einstudierte Chor in seinen kurzen Auftritten.

Christoph Altstaedt hat zwar mit den Düsseldorfer Symphonikern ein sehr gutes Orchester zur Hand, Dagmar Thelen sitzt dabei am Hammerflügel, aber so recht zu Mozart gefunden hat er noch nicht. Zwar reizt er im Forte aus, was geht, um gerade eben noch die Sänger hören zu lassen, lässt die Piani gefühlvoll ausspielen, aber das macht noch keinen Figaro. Es fehlt an Akzent und Transparenz, kurz an Brillanz.

Das ficht das Publikum nicht an. Permanenter Szenen- und Arienapplaus sowie Pfiffe und Johlen zum Abschluss runden den Gesamteindruck ab: Eine solide Inszenierung, an der die Protagonisten mit viel Herzblut gearbeitet haben. Das bestätigt auch der große Jubel im Ensemble, der losbricht, als der letzte Vorhang fällt.

Michael S. Zerban